Freiwilliges Soziales Jahr Freiheit und Gleichheit wird sie vermissen

AHRWEILER · Sana Iqbal kehrt nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr um viele Eindrücke bereichert zurück nach Pakistan

 Sana Iqbal und Gastmutter Iris Klefisch haben sich ihre Kulturen gegenseitig nähergebracht.

Sana Iqbal und Gastmutter Iris Klefisch haben sich ihre Kulturen gegenseitig nähergebracht.

Foto: GINZLER

Sana Iqbal schenkt Tee auf der Terrasse ein. Im sonnigen Garten des Ahrweiler Gastdomizils lässt sich das Gespräch über ein erlebnisreiches Jahr entspannt und friedlich an. Vor allem den Frieden würde die junge Pakistanerin, die in Lahore als Programmdirektorin der Katholischen Bibelkommission Pakistans arbeitet, gerne mit nach Hause nehmen.

Die Herausgeberin christlicher Literatur wollte "eine andere Kultur kennenlernen" und "schon immer Deutsch hören und verstehen", um die deutschen Bibelkommentare im Original zu lesen. Die Chance dazu bot ihr ab September 2013 das Programm SoFIA der Diözese Trier durch ein Freiwilliges Soziales Jahr in Deutschland. Auch wurde der Kontakt zur Pakistan AG des Gymnasiums Calvarienberg geknüpft, die christlichen Kindern in Jurian zum Schulbesuch verhilft. Nach einen Monat Sprachunterricht in Trier gewann Iqbal bei den Familien von AG-Mitgliedern, Schopp und Geschier in Hönningen und Ahrweiler, sowie Iris Klefisch, frühere Calvarienberg-Lehrerin, freundliche Aufnahme.

Sie arbeitete Vollzeit im Bad Neuenahrer Maria-Hilf-Krankenhaus, danach in der Caritas-Behindertenwerkstatt in Sinzig. Außerdem engagierte sie sich für die Partnerschaft der AG mit der pakistanischen Schule, indem sie am Gymnasium mehrfach über ihr Land, speziell über die schwierige Lage der christlichen Minderheit im muslimisch regierten Pakistan berichtete.

Armut und Bildungsnotstand herrschen dort. 75 Prozent der Bevölkerung zählen zur Unterschicht, 23 Prozent zur Mittel- und zwei Prozent zur Oberschicht. Der Schulbesuch, für Mädchen sowieso unüblich, kostet Geld. An den besseren, teuren Privatschulen ist er unerschwinglich für die meisten. Gegen den Willen seiner Geschwister aber schickte Iqbals Vater nicht nur ihre drei Brüder, sondern auch sie und die sechs Schwestern zur Schule. Mit Sana, einzige Christin von 100 (!) Schülern in der Klasse, wollte niemand spielen. Rückhalt bot die liebevolle Familie, die traditionell mit Onkel, Tante und Großeltern in einem Haus lebt.

Jeden Tag drohen Selbstmordanschläge der Taliban

Doch stets mahnte ihre Mutter: "Vorsichtig sein in der Schule!" Wie ein leiser Nachhall entfährt es Sana, "man muss immer vorsichtig sein". Das hat sie verinnerlicht. In Pakistan, wo 97 Prozent der Bevölkerung dem Islam angehören, erzeugt das Gesetz gegen Gotteslästerung ein Klima der Angst unter den Christen und Hindus. Sie sind der Willkür und Verfolgung durch radikale Muslime ausgesetzt. Sich gar gegen die Paragraphen zu wenden, ist lebensgefährlich. Die Stimmung ist extremistisch aufgeladen: "Jeden Tag drohen Selbstmordanschläge der Taliban. Einmal explodierte eine Bombe auf einem Markt, den ich mit meinem Bruder besucht hatte. Zuhause hörten wir unsere Mutter laut weinen. Das Fernsehen hatte berichtet und sie glaubte, wir seien getroffen". Im Norden sind schon alle Schulen zerstört und in Kirchen braucht man Wachposten, um Gottesdienste abzuhalten. Schwer wiegt auch, nicht zu wissen, wem man trauen kann. Als Iqbal einer muslimischen Freundin erzählte, sie betrauere Gouverneur Taseers Tod, erwiderte diese: "Er hat es verdient."

Die heute 28-Jährige erwarb einen Master in Biostatistik, lernte Hebräisch und studierte Theologie. Mit ihrer Arbeit bei der Bibelkommission, die Bücher veröffentlicht, Bibelstudium und viele Fortbildungskurse anbietet, will sie die Situation der Christen verbessern. Es gilt, das Selbstbewusstsein zu stärken. "Wenn sie wegen ihrer Religion viel leiden müssen, sollten sie ihre Religion gut kennen", ist sie überzeugt.

Sana wiederum ist nach ihrem Jahr hierzulande um viele Eindrücke reicher. Zwar lernte sie bei einem Seminar in Trier, welches die Freiwilligen mit der Erstunterbringung von Flüchtlingen in Containern und mit Obdachlosen konfrontierte, dass Deutschland nicht das Paradies ist, wie es ihr schien. Vornehmlich aber machte sie neue Erfahrungen. Als wertvollste nennt sie Freiheit und Gleichheit: "Man kann hier sagen, was man will, und gehen wohin man will. Ich kannte es nicht anders. Jetzt werde ich es vermissen."

Könnte sie für die Heimat einen Rucksack der Werte packen, die sie in Deutschland verwirklicht sieht, würde sie zusätzlich "Frieden" mitnehmen und "die Schulpflicht" draufsatteln. Denn mehr denn je ist der jungen Frau durch ihren Jahresbesuch bewusst geworden, wie wichtig Bildung für Frieden, Toleranz und soziale Gerechtigkeit sind. Trotz positiven Erlebens aber vermisst die Freiwillige ihre Familie. Der starke Zusammenhalt im erweiterten Familienverband, "dieses Leben in größeren engeren Gemeinschaften, das wir in Pakistan kennen, wünsche ich auch den Deutschen". Bevor Sana Iqbal ihre Verwandten sieht, ist sie im Oktober Gast des "Monats der Weltmission 2014" in Fulda, Hamburg und Erfurt.

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