Straße in Sinzig wird umbenannt Für alte Sinziger ist sie immer noch die „Jüddejass“

Zum 1. Januar 2023 erhält die Gudestraße in Sinzig den Namen zurück, den ihr die Nazis vor 90 Jahren nahmen. Die Straße heißt künftig wieder „Judengasse“.

 Die Entscheidung ist gefallen: Die Gudestraße in Sinzig heißt ab Anfang kommenden Jahres wieder „Judengasse“.

Die Entscheidung ist gefallen: Die Gudestraße in Sinzig heißt ab Anfang kommenden Jahres wieder „Judengasse“.

Foto: AHR-FOTO

Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 erhält die Gudestraße in Sinzig den Namen zurück, der ihr 90 Jahre zuvor, im Jahr 1933, von den Nationalsozialisten genommen wurde: „Judengasse“. Das beschloss der Sinziger Stadtrat am Donnerstag einstimmig bei einer Enthaltung.

Martin Eggert (SPD) erinnerte in der Diskussion, die dem Ratsbeschluss voranging, daran, dass das nur 150 Meter lange schmale abschüssige Sträßchen unmittelbar nach der Befreiung schon einmal den Namen zurückerhielt, den es über Jahrhunderte trug. Auf Beschluss des damaligen Stadtrats und auf höchst zweifelhafter Grundlage war ihr der aber bereits 1952 wieder genommen worden. Das mache Sinzig in Deutschland „zu einem ganz besonderen Fall“, so Eggert. Die Schande, die die Entscheidung von 1952 bedeutet habe, gelte es nun rückgängig zu machen. Die Zeit sei „überreif dafür, das Andenken an verfolgte, deportierte und ermordete Mitbürger wiederherzustellen".

Hardy Rehmann sagte, Sinzig müsse „jetzt endlich ein klares Zeichen setzen und sich mit der Rückbenennung ganz klar vom verbrecherischem Nazi-Regime distanzieren“. Der Sprecher der Grünen-Fraktion wünschte sich dazu Einstimmigkeit im Rat: Die wäre „für das Image unserer Stadt förderlich".

Karl-Heinz Arzdorf (CDU) wies auf eine Kontinuität hin, die in der jahrelangen Diskussion um Rückbenennung oder Namens-Beibehaltung kaum gewürdigt wurde: dass die Gudestraße nämlich von alten Sinzigern heute noch „Jüddejass" genannt werde.

Ralf Urban (Grüne) fand einen Antrag der FWG „entsetzlich“, dass die Stadt den Anliegern der Gasse sämtliche Kosten ersetzt, die mit der Rückbenennung verbunden sind. Angesichts der Vergehen gegenüber den Juden, deren sich Sinzig schuldig gemacht hat, müsse es eine Selbstverständlichkeit und Ehre sein, dass die heutigen Anlieger die Kosten, die ihnen durch die Rückbenennung entstehen, selbst tragen. Woraufhin die Freien Wähler ihren Antrag auf vollständige Kostenerstattung zurückzogen.

Den Anstoß zur Rückbenennung hatten, daran erinnerte Bürgermeister Andreas Geron, vor mehr als zweieinhalb Jahren die Rüstigen Rentner gegeben. Am 10. März 2020 beschäftigte sich daraufhin der Ortsbeirat mit dem Thema und votierte mehrheitlich für die Umsetzung des Vorschlags. Anschließend beteiligte die Stadtverwaltung die Hauseigentümer und Bewohner der Gudestraße. „Inhaltlich kann zusammengefasst werden, dass die Umbenennung grundsätzlich abgelehnt wird“, hieß es anschließend aus dem Rathaus, wo auch eine Unterschriftenliste gegen eine Umbenennung eingereicht wurde. Der Bauausschuss beschäftigte sich daraufhin mit dem Thema und beschloss am 19. August 2020 bei drei Gegenstimmen und einer Enthaltung, die Entscheidung über eine Rückbenennung ihrer großen Bedeutung wegen in den Stadtrat zu verweisen.

Außerdem wurde der Historiker Dr. Joachim Scholtyseck beauftragt, ein Gutachten zu erarbeiten. Am 10. Oktober stellte der Professor an der Uni Bonn dem Hauptausschuss des Stadtrats seine Ergebnisse vor. Dass die Gasse ihren alten Namen zurückerhält, bezeichnete er als „vernünftig und gesellschaftspolitisch wichtig“, und es sei „eine Chance, an die jüdische Geschichte der Stadt zu erinnern“. Eine Rückbenennung werde „eine heilende Wirkung haben“, war Scholtyseck überzeugt, sie werde „zum Nachdenken anregen“ und wäre „insbesondere für junge Menschen pädagogisch sinnvoll“.

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