Erst Corona, dann die Flut Herausfordende Zeiten für Winzer an der Ahr

Dernau · Die Weinbauern im Ahrtal stehen vor großen Herausforderungen. Während die Pandemie ihnen auch Vorteile gebracht hat, stehen sie nach der Flut vor einer Mammutaufgabe.

Der Vorsitzende des Winzer-Kreisverbands, Franz-Josef Schäfer (links), spricht zu den Teilnehmern der Generalversammlung in Dernau.

Der Vorsitzende des Winzer-Kreisverbands, Franz-Josef Schäfer (links), spricht zu den Teilnehmern der Generalversammlung in Dernau.

Foto: ahr-foto

Auf zwei herausfordernde Jahre hat Franz-Josef Schäfer, Vorsitzender des Kreisverbands Ahrweiler im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, bei der Generalversammlung zurückgeblickt. „Bis 2020 war die Welt noch verhältnismäßig in Ordnung“, sagte er am Samstag im Culinarium der Weinmanufaktur Dagernova in Dernau. Berufsspezifische Fragen hätten im Vordergrund gestanden, etwa die neue gemeinsame Agrarpolitik der EU, die afrikanische Schweinepest, die überbordende Bürokratie – „Bauernthemen eben“. Doch dann hätten drei Ereignisse auch die Landwirte und Winzer mit voller Wucht getroffen, „die wir in unserer Wohlfühlwelt nicht mehr auf dem Schirm hatten“. Zuerst Corona, dann die Flutkatastrophe und schließlich auch noch der Krieg in der Ukraine.

Dabei habe die erzwungene Immobilität im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie seinem Berufsstand sogar noch in gewisser Weise Vorteile verschafft. Denn die Nachfrage nach hochwertigen, regional erzeugten Lebensmitteln sei erfreulicherweise gestiegen. „Doch dann kam die Flut, mit deren Bewältigung noch eine Mammutaufgabe für die nächsten Jahre vor uns liegt.“ Beeindruckt sei er vor allem von der Hilfsbereitschaft der Menschen aus nah und fern gewesen, die den Flutopfern teils monatelang geholfen hätten, darunter auch zahlreiche Landwirte und Winzer. „Alle fuhren sofort los, mitten in der Getreideernte und obwohl viele selbst betroffen waren.“

Wütend mache ihn jedoch die politische Aufarbeitung der Flut. Denn da habe es beispielsweise bei der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag am Nürburgring nur ein kollektives Schulterklopfen von Landesregierung, ADD und Helferorganisationen gegeben – „kein Wort zu den privaten Helfern, die in den ersten Wochen den Karren aus dem Dreck gezogen haben.“ An Zynismus nicht zu überbieten sei jedoch die Rechtfertigung des mittlerweile zurückgetretenen rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz (SPD), er habe auf den Hubschraubervideos keinen Grund zum Eingreifen erkennen können. „Es ist längst überfällig, Fehler einzugestehen und sich zu entschuldigen, das ist doch ein Zeichen von Stärke und Rückgrat.“

Die grüne Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik sage für die Lebensmittelversorgung in naher Zukunft einen erhöhten Zukaufbedarf voraus, da Europa die Produktion bewusst zurückfahre. Dieser Zukauf sollte eigentlich in der Ukraine und in Russland gedeckt werden – was daraus geworden sei, sehe man tagtäglich in den Nachrichten. „Und wir diskutieren monatelang mit der EU und dem Landwirtschaftsministerium darüber, ob die Zwangsstilllegungen und Fruchtfolgeregelungen nicht um ein Jahr verschieben können“, schüttelte Schäfer den Kopf. Europa reduziere bewusst die Produktion auf heimischen Flächen und verzichte auf die am besten, nachhaltigsten und nach den höchsten Standards produzierten Lebensmittel. „Mal sehen, was das nächste Jahr bringt – hoffentlich keine leeren Lebensmittelregale.“

Michael Horper, der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, fand ebenfalls, es müsse alles dafür getan werden, Lebensmittel nach modernen, vernünftigen Richtlinien und guter fachlicher Praxis zu produzieren. „Wenn zwei Tage lang die Kühlschränke leer bleiben würden, gäbe es auch in der Politik ein Umdenken“, war er überzeugt.

Landrätin Cornelia Weigand (parteilos) wies darauf hin, dass die Landwirte im Kreis mittlerweile 1,2 Millionen Euro aus dem Wiederaufbaufonds für ihre Ernteausfälle erhalten hätten. Von 207 entsprechenden Anträgen seien bereits 132 abgeschlossen. Und noch bis 30. Juni 2023 könnten weitere Anträge eingereicht werden – unter bestimmten Voraussetzungen sogar für Ernteausfälle 2022.

Besondere Rolle der Landwirtschaft

Bei der Bewältigung des Klimawandels komme der Landwirtschaft eine ganz besondere Bedeutung zu. „Sie haben viel zu schultern im Bereich des Klimawandels und de Klimaanpassung“, wusste sie und dankte insbesondere dem Bauern- und Winzerverband für die hervorragende Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung. Die anstehenden Herausforderungen könne man nur gemeinsam bewältigen.

Hubert Pauly, Präsident des Weinbauverbands Ahr, hatte als schwer von der Flut Betroffener vor allem Demut gelernt. Heute wisse er, was fließendes Wasser und eine brennende Lampe wert seien. Angesichts der Tatsache, dass weltweit 850 Millionen Menschen Hunger litten, seien die Landwirte auch in Zukunft wichtig. Nur sie seien in der Lage, die notwendigen Nahrungsmitteln zu produzieren.

Umso schöner sei, dass es an der Ahr 2022 eine hervorragende Weinlese gegeben habe, sowohl quantitativ wie auch qualitativ, „und das haben wir uns auch verdient“. Er appellierte an die Politik und die Verbände, den Landwirten die notwendige Kraft und Stärke zu geben, um auch in Zukunft das kleine Weinbaugebiet in seiner Spitzenposition zu halten. „Denn ohne Weinbau würde an der Ahr nicht mehr viel stattfinden.“

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