Regierungsbunker in Ahrweiler Jacques Berndorf und Christian Willison faszinieren mit musikalischer Lesung

AHRWEILER · Zu einer schaurig-schönen Veranstaltung entwickelte sich die "musikalische Lesung" des Krimiautors Jacques Berndorf am Samstagabend im "Saal" der Dokumentationsstätte Regierungsbunker in Ahrweiler. Zusammen mit dem renommierten Blues-Pianisten und -Sänger Christian Willison aus München bescherte er seinem Publikum an dem unwirtlichen, kalten Ort Wechselbäder der Gefühle.

 Außergewöhnliche Atmospähre: Im Bunker liest Jacques Berndorf, den Christian Willison am Klavier unterstützt.

Außergewöhnliche Atmospähre: Im Bunker liest Jacques Berndorf, den Christian Willison am Klavier unterstützt.

Foto: Martin Gausmann

Der "Saal" des Bunkers befindet sich am Übergang des Museumsteils des ursprünglich als Bahntunnel konzipierten Bauwerks in die ausgeräumte kahle Röhre. Anders als bei Führungen durch das Denkmal des Kalten Krieges stand diesmal das Gitter am Ende offen und gab den Blick ins beleuchtete Leere ungehindert frei.

Damit war für das Publikum eine an Nüchternheit kaum zu überbietende Atmosphäre geschaffen, die die volle Konzentration auf Wort und Musik forderte. Und während Willisons kräftiger Anschlag auf die Piano-Tasten, seine teils furios stampfenden Rhythmen und sein zwischen kraftvoll und sanft fein modulierender Gesang in der blanken Betonröhre herrlichen Widerhall fanden, schafften Berndorfs von den gewölbten Wänden rundum reflektierten Worte ein kontinuierliches Gesäusel in dem ungewöhnlichen Vortragssaal.

Für die nahezu 100 Zuhörer mussten noch zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden. Die besondere Atmosphäre war der Hit bei der Lesung, bei der Journalist und Schriftsteller Berndorf, eigentlich Michael Preute, Jahrgang 1936, in Osnabrück aufgewachsen und Wahl-Eifler, seinen im November erscheinenden neuen Krimi vorstellte: "Eifel-Krieg" ist der Titel, und das Werk befasst sich mit der Neonazi-Szene, wozu wiederum der ausgediente Bunker bestens passte.

Wie Berndorf ausführte, hat er sich für den Roman gründlich über die Praktiken der Neonazis kundig gemacht. Die Nazizeit habe er als Kind miterlebt. "Es war etwas zum Nachfragen", ist seine Erinnerung. "Das Thema Neonazis hat mich in die Erinnerung zurückgeworfen, und es hat mich mitgenommen", sagte der Autor. Das führte im Roman so weit, dass sein Held Siggi Baumeister sein Leben fast hätte lassen müssen.

Wie das abgewendet werden konnte, verriet Berndorf bei der Lesung allerdings nicht. Die Kapitel, die er für den Vortrag gewählt hatte, handelten vom Auftauchen der zierlichen "Tante Lina aus Sydney" mit den kleinen, schwarzen Augen und dem sorgfältig gekräuselten Haar, die Auschwitz als einzige ihrer Familie überlebt hatte.

"Sie hat bis heute nie darüber gesprochen", heißt es im Text. Ferner ging es um einen erschossenen jungen Mann, der mit zerschmetterter Schädeldecke gefunden wurde. Für seinen Roman hat Berndorf einen Bauernhof in der Eifel erfunden, teils Hotel, Restaurant und Café, in dem sich Neonazis eingenistet haben. Baumeister geht hin, fragt nach. "Sie leben mitten unter uns, man kann sie nicht ausradieren", erkennt er. Und wird schließlich mit "mehr blauen Flecken, als auf ihn drauf passen" nahezu tot vor seiner Haustür gefunden.

Bei den Leseproben bewies er trotz aller Krimi-Dramatik die Kunst seiner Sprache, die mit einfachen Worten alltägliche Dinge äußerst detailliert und treffend beschreibt. So hat der Zuhörer/Leser stets ein präzises Bild vor Augen und bei allen schaurigen Begebenheiten nicht nur Gelegenheit zum Gruseln, sondern auch zum Schmunzeln. Die Zuhörer im Regierungsbunker dankten den Vortragenden mit kräftigem Applaus.

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