Nachfrage steigt Wie an der Ahr die Verteilung von Jodtabletten geregelt ist

Kreis Ahrweiler · Weil Russlands Präsident Wladimir Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, steigt auch im Kreis Ahrweiler die Nachfrage nach Jodtabletten. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier hatte den Kreis aufgrund der nahegelegenen Atomkraftwerke schon 2017 aufgefordert, für den Katastrophenfall Jodtabletten zu verteilen.

 Auch im Ahrtal steigt die Nachfrage nach Jodtabletten.

Auch im Ahrtal steigt die Nachfrage nach Jodtabletten.

Foto: Martin Gausmann

Jodtabletten sind immer dann gefragt, wenn eine atomare Bedrohungslage auftaucht – so, wie aktuell wieder aufgrund des Krieges in der Ukraine und der Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Atomwaffen einzusetzen. Wer die hoch dosierten Präparate zu sich nimmt, hofft, dass die Schilddrüse nicht mit radioaktivem und somit krebserregendem Jod befallen wird.

Dass die Angst derzeit auch in der Region Menschen in die Apotheken treibt, erlebt zum Beispiel Andreas Windscheif von der Hirsch-Apotheke in Bad Breisig. „Erst heute fragte eine Kundin nach 65 Milligramm dosiertem Kaliumiodid, das Medikament zur Anwendung bei Strahlenunfällen. Für die Verteilung vorbeugend eines kerntechnischen Unfalls sind nicht die Apotheken zuständig.“ Es sei nicht lieferbar. „Selbst wenn, verkaufe ich es nicht, denn der Staat verteilt es bei Bedarf kostenlos“, sagt Windscheif. „Wir vertreiben Kaliumiodid-Tabletten mit 100 oder 200 Mikrogramm Wirkstoff. Es kann eine unzureichende Jodversorgung ausgleichen. Es wäre aber sinnlos, mit dieser viel niedrigeren Dosierung verhindern zu wollen, dass radioaktives Jod von der Schilddrüse aufgenommen wird.“

72.000 Jodtabletten für den Kreis Ahrweiler

Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier hatte bereits 2017 aufgrund der nächstgelegenen Atomkraftwerke (AKW) den Kreis Ahrweiler aufgefordert, für den Katastrophenfall 72.000 Jodtabletten zu verteilen. Der Kreis übermittelte die Tabletten an die Städte Bad Neuenahr-Ahrweiler, Sinzig, Remagen, die Verbandsgemeinden Adenau, Altenahr, Bad Breisig, Brohltal und die Gemeinde Grafschaft. Anfang September 2017 war die Verteilaktion abgeschlossen.

Im Ereignisfall sollen die Jodtabletten von den Rathäusern auf festgelegte Ausgabestellen, wie Feuerwehrhäuser oder Wahllokale in den Orten, Ortsteilen und Städten weiterverteilt werden. In Sinzig etwa, wo die Tabletten wie vorgegeben „trocken und lichtgeschützt“ im Rathaus lagern, „würde die Ausgabe in den Feuerwehrgerätehäusern der Stadt erfolgen“, informiert Christian Weidenbach, Fachbereichsleiter Organisation.

Nach der Flut 2021 war ein Nachschub notwendig

Weniger konkret heißt es seitens der Kreisstadt: „Die Tabletten lagern gesichert im Stadtgebiet von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Der Zugriff ist jederzeit rund um die Uhr gewährleistet.“ Letzteres traf für die Kreisstadt sowie für die VG Altenahr kurz nach der Flut im Juli 2021 nicht zu. Beide Rathäuser waren vom Hochwasser betroffen und bedurften des Nachschubs. Denn nach der Katastrophe, so Kreis-Pressesprecherin Caroline Wicher, „hat die Kreisverwaltung Ahrweiler bei den Kommunen abgefragt, wie es um den Bestand der Jodtabletten bestellt ist – im Resultat wurden einige Jodtabletten durch den Kreis beim Land Rheinland-Pfalz nachgeordert und an die betroffenen Kommunen ausgeliefert“.

Zum zeitlichen Ablauf verweist Karl Walkenbach, Pressesprecher der Kreisstadt, auf die Mitteilung des Kreises von 2017: „Die Ausgabe der Jodtabletten an die Bevölkerung im Einsatzfall erfolgt erst nach Anweisung durch die Katastrophenschutzleitung der ADD. Nach den bundesweit geltenden Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen müssen die Jodausgabestellen innerhalb von zwölf Stunden ausgabebereit sein.“

Das Atomkraftwerk Tihange in Belgien ist weiter als 100 Kilometer entfernt

Das nächstgelegene Atomkraftwerk Tihange in Belgien ist weiter als 100 Kilometer von den Orten im Kreis Ahrweiler entfernt – nämlich zwischen rund 120 und 145 Kilometer Luftlinie. Für die Zentralzone (bis fünf Kilometer), die Mittelzone (bis 20 Kilometer) und die Außenzone (bis 100 Kilometer) um ein AKW gelten in Rheinland-Pfalz spezielle Maßnahmen. In diesen Zonen sind Tabletten für alle Einwohner bis 45 Jahren vorhanden. „Darüber hinaus sind für die restlichen Gebiete außerhalb dieser Zonen – hierzu zählt auch der Kreis Ahrweiler – vorgesehen: Die Durchführung von Messprogrammen zur Ermittlung der radiologischen Lage und die Versorgung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sowie Schwangeren mit Jodtabletten zur Herstellung einer Jodblockade.“ Dies erklärt auf Anfrage die ADD, die bei Störfällen von kerntechnischen Anlagen die Einsatzleitung innehat.

Jodblockade bedeutet, dass die hochdosierten Tabletten, rechtzeitig eingenommen, die Schilddrüse sättigen, damit sie kein radioaktives Jod aufnimmt. Sie sollen die Bevölkerung bei einem Unfall der Kernkraftwerke vor Schädigungen der Schilddrüse schützen. Allerdings betont ADD-Pressesprecherin Eveline Dziendziol: „Insbesondere schützt die Einnahme von Jodtabletten ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse, nicht vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe.“

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