Kritiker fürchten Verlust an Bürgernähe Kommunalreform in Rheinland-Pfalz schlägt hohe Wellen

KREIS AHRWEILER · Der Landkreistag kritisiert den Umgang mit dem Gutachten zu einer Kommunalreform in Rheinland-Pfalz. Im Kreis Ahrweiler schlagen die Wellen hoch.

Das Gutachten zu einer weiterführenden Kommunalreform in Rheinland-Pfalz sorgt für hohe Wellen im Land. Federführende Autoren sind Professor Martin Junkernheinrich von der Technischen Universität Kaiserslautern und Professor Jan Ziekow, Direktor des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung in Speyer.

Das Gutachten war 2015 von den damals im Mainzer Landtag vertretenen Parteien, SPD, CDU und Grüne sowie den kommunalen Spitzenverbänden in Auftrag gegeben worden. Es sieht bei einer Reduzierung der aktuell 24 Landkreise auf 14 einen Zusammenschluss der Kreise Ahrweiler und Mayen-Koblenz vor. Das Gutachten hat nach GA-Informationen 1,5 Millionen Euro gekostet. Montag will Innenminister Roger Lewentz es in Mainz vorstellen.

Die Expertise hatte in den vergangenen Tagen bereits AW-Landrat Jürgen Pföhler, Karl-Heinz Sundheimer als Vorsitzenden der CDU-Kreistagsfraktion und die Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil als Vorsitzende der CDU im Kreis Mayen-Koblenz in Harnisch gebracht.

Jetzt legt der Landkreistag Rheinland-Pfalz (LKT), der Zusammenschluss aller Kreistage im Land, nach. „Wir erfahren scheibchenweise und aus den Medien, welche Vorschläge die Gutachter der Landesregierung zur zweiten Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform vorgelegt haben“, sagte der Vorsitzende des Landkreistages und Landrat des Kreises Trier-Saarburg, Günther Schartz. „Politik darf nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg gemacht werden. Ich fordere den Innenminister daher auf, nicht länger auf Zeit zu spielen und den kommunalen Spitzenverbänden die Gutachten vorzulegen.“ Das ist am Mittwoch geschehen: 60 Seiten plus vier dicke Ordner.

Fusionen haben laut Schartz bislang „noch nirgends zu nennenswerten Kosteneinsparungen geführt“. Im Gegenteil: Einem hohen Aufwand stünden ein Verlust an Bürgernähe und eine Schwächung des ehrenamtlichen Engagements als negative Folgen gegenüber. Gerade im ländlichen Raum habe das fatale Auswirkungen. Schartz fordert, anstelle von Fusionen die interkommunale Zusammenarbeit stärker in den Blick zu nehmen. Außerdem sei die Digitalisierung der Verwaltung mit vereinten Kräften weiter voranzutreiben. Die Digitalisierung sei eine große Chance für alle Verwaltungen, Dienstleistungen künftig noch bürgernäher zu erbringen und Verwaltungsprozesse effektiver zu gestalten. Die Kreise seien hier mit Unterstützung der Landesregierung schon auf einem guten Weg und bereit, über die eigene Verwaltung hinaus Verantwortung zu übernehmen.

SPD im Kreis möchte das Gutachten auswerten

„Zwangsfusionen dagegen sind Gift insbesondere für die ländlichen Räume“, so Schartz. Dass sie ausgerechnet jetzt in einer Zeit diskutiert würden, in der auf Bundesebene die Beratungen der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse begonnen hätten, in der es insbesondere um die Stärkung der ländlichen Räume gehe, sei geradezu kontraproduktiv. Daher fordert der Vorsitzende des Landkreistages: „Hände weg von Zwangsfusionen.“

Christoph Schmitt, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, ist auch nicht ganz glücklich über das Papier, das im SPD-geführten Innenministerium von Roger lewenz vorliegt: „Wir glauben, dass der Kreis Ahrweiler in seiner aktuellen Größe eine gute Kombination aus Bürgernähe und effizienten Verwaltungsstrukturen hat. Bei der anstehenden Diskussion über die künftigen Strukturen der Kommunalverwaltung haben wir somit sehr gute Argumente, warum der Kreis Ahrweiler eigenständig bleiben soll. Unser Kreis Ahrweiler lebt von der heimatlichen Verbundenheit und dem ehrenamtlichen Engagement der Menschen vor Ort. Dies gilt es auch in Zukunft durch Bürgernähe zu stärken.“

Die SPD im Kreis möchte das Gutachten auswerten, sobald es ihr vorliegt. Bisher sei es in Stellungnahmen vor vor allem um die Maximalvariante gegangen. Marcel Hürter, Vorsitzender der SPD im Kreis Ahrweiler: „SPD, CDU und Grüne sowie Landesregierung und Kommunale Spitzenverbände habe sich gemeinsam für ein solches Gutachten entschieden. Dabei war es vor allem der CDU wichtig, dass dieses Gutachten unabhängig und umfassend ist.“

FDP: Technokratisch und am grünen Tisch entworfen

„Ich sehe die jetzt diskutierten Zusammenlegungen sehr skeptisch“, sagt Ulrich van Bebber, Vorsitzender der FDP-Kreistagsfraktion. „Natürlich muss man Strukturen immer wieder auf Verbesserungsmöglichkeiten prüfen. Aber die jetzt bekannt gewordenen Vorschläge scheinen mir sehr technokratisch und am grünen Tisch entworfen. Größe allein ist kein Vorteil, der Kreis Ahrweiler ist ein sehr gut aufgestellter und funktionierender Kreis mit jetzt schon großen Entfernungen, die dann noch größer würden. Hinzu kommt, dass wir in Richtung Bonn und Köln orientiert sind. Da macht eine Zusammenarbeit, wie zum Beispiel beim Personennahverkehr oder bei den Gewerbeansiedlungen, viel mehr Sinn als die Zusammenlegung mit dem Kreis Mayen Koblenz.“

Unisono erklären die beiden CDU-Landtagsabgeordneten Horst Gies und Guido Ernst: „Einen Zusammenschluss des Kreises Ahrweiler mit dem Kreis Mayen-Koblenz lehnen wir entschieden ab. Der Kreis Ahrweiler blickt auf über 200 Jahre Geschichte zurück und die Bürger identifizieren sich in hohem Maße mit unserer Region von Ahr, Rhein und Eifel. Der Kreis Ahrweiler ist wirtschaftlich gesund, innovativ und attraktiv. Eine Kommunalreform kann keinesfalls durch Zwangsfusionen geprägt sein. Daher bleibt es bei unserem CDU-Vorschlag, die Frage der Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit als Alternative von zentraler Bedeutung besonders in den Blick zu nehmen. Wir erwarten ebenso, dass eine Kommunalreform vor allem eine Stärkung der kommunalen Finanzkraft in Rheinland-Pfalz zur Folge haben muss.“

Jochen Seifert, Chef der Freien Wähler im Kreis Ahrweiler und deren Fraktionsvorsitzender im Kreistag prophezeit ein Desaster für die Landesregierung: „Den Aussagen von Innenminister Roger Lewentz mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der interkommunalen Zusammenarbeit könnte man ja zustimmen. Wenn sich dabei zeigen sollte, dass Zusammenschlüsse möglich und gewollt sind, dann wäre dies der nächste Schritt. Aber die Landesregierung zäumt das Pferd wieder von hinten auf und sorgt damit landesweit für Widerspruch. Ein solches, zu erwartendes Desaster hätte man vermeiden können.“

Linke: Neoliberale Sparideen des Landes

Mit Kritik spart auch Marion Morassi, Kreistagsmitglied der Linken, nicht: „Die geplanten Neuzuschnitte und Fusionen, wie zum Beispiel der Kreis Ahrweiler mit dem Kreis Mayen-Koblenz, sind an den Interessen der Wirtschaft und an neoliberalen Sparideen der Landesregierung orientiert und ignorieren die in ländlichen Regionen besonders wichtigen kulturellen, kommunikativen und sozialen Zusammenhänge.“ Nur wenn die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen für die Menschen entscheidend verbessert würden, mache eine Kommunalreform überhaupt Sinn.

Die Stärkung der Wirtschaft führen die Gutachter ins Feld. Dem kontert AW-Landrat Jürgen Pföhler: „Der Kreis Ahrweiler gehört zu den starken Regionen mit hoher Lebensqualität. Mit unserem Schulbauprogramm, der Ehrenamts- und Vereinsförderung sowie der Wirtschaftsförderung gehören wir zu den innovativsten Landkreisen in Rheinland-Pfalz. Die Arbeitslosigkeit liegt seit Jahren deutlich unter Landes- und Bundesdurchschnitt, die Zahl der betrieblichen Neugründungen deutlich darüber. In vielen Bereichen sind wir Vorreiter.“

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