Flutfolgen für Sinziger Mieter „Ich halte die Kündigung für schlichtweg rechtswidrig“

Sinzig · 44 Mietparteien zweier Sinziger Häuser sollen wegen Flutschäden fristlos ihr zu Hause verlassen. Joachim Titz, Rechtsberater des Eigentümer-Vereins Haus und Grund Rhein-Ahr, ordnet die Handlung des Eigentümers juristisch ein und bewertet sie.

 Der Eigentümer dieser Mietwohnungen in Sinzig hat nach der Hochwasserflut 44 Bewohnern gekündigt.

Der Eigentümer dieser Mietwohnungen in Sinzig hat nach der Hochwasserflut 44 Bewohnern gekündigt.

Foto: Martin Gausmann

„Ich will nicht, dass man glaubt, ich hätte plötzlich die Seiten gewechselt“, betont Joachim Titz. Er ist Rechtsanwalt, ehemaliger Kommunalpolitiker und Rechtsberater des Vereins Haus und Grund Rhein-Ahr. Die Vereinigung unterstützt im Kreis Ahrweiler Eigentümer von Häusern, Wohnungen und Grundstücken. Normalerweise handelt und spricht man dort im Interesse ebendieser. Doch beim Lesen des Artikels über die fristlose Kündigung von 44 Mietparteien in zwei Sinziger Häusern sei Titz geschockt gewesen.

Er habe Sorge, es gerieten nun schnell alle Eigentümer und Vermieter in Verdacht, die Situation im Ahrtal auf diese Weise auszunutzen. In der Straße, in der den Mietern gekündigt wurde, säßen Mitglieder der Interessengemeinschaft, die Titz vertritt. „Denen habe ich direkt geraten, eine hundertprozentige Mietminderung in die Wege zu leiten, kulant zu sein. Mit den Mietern gemeinsam zu handeln.“ Den Eigentümer des Gebäudes, in dem die Mieter im Juli fristlos gekündigt wurden, kennt Titz nicht.

Grundsätzlich keine Sonderkündigungsrechte für Fluten

„Ich halte die Kündigung für schlichtweg rechtswidrig“, so Titz. Der Vermieter müsse das Mietobjekt vertragsgemäßem Zustand halten. Sei das nicht möglich, wie aktuell, so müsse er diesen Zustand wiederherstellen, sofern der Mieter den Schaden nicht verschuldet habe. Da letzteres nicht der Fall sei, gäbe es keinen Kündigungsgrund. Titz: „Es gibt keine Sonderkündigungsrechte für Fluten.“ Der einzige Sonderfall, in dem der Vermieter unter diesen Voraussetzungen kündigen könne, betreffe Gebäude, die aufgrund ihrer Schäden unwirtschaftlich geworden seien. Dies sei bei Häusern an der Ahr der Fall, welche abgerissen werden müssen.

Dort sind Kündigungen seitens der Vermieter unumgänglich – und nachvollziehbar. Wo kein Haus, da kein Mietverhältnis. Titz zweifelt daran, dass die besagten Wohnhäuser in Sinzig einen solchen Fall darstellen. Insbesondere mit Blick auf die oberen Stockwerke, die von der Flut nicht betroffen waren, und dennoch geräumt werden sollen. Die Wohnungen sind mietpreisgebunden und öffentlich gefördert. Die Preisbindung läuft bald aus. Der Mieterbund vermutet, dass der Eigentümer die Situation nutzt, um nach der Kündigung der Mieter die Preise anzuheben. Titz unterstützt diese These. Die Hausverwaltung besteht hingegen darauf, dass alle Wohnungen unbewohnbar seien.

Entgegen der Meinung des Mieterbundes rät Titz jedoch den Mietern, zu klagen. Die Chancen stünden juristisch schlecht für den Eigentümer. Man solle nicht auf eigene Faust ohne Ankündigung renovieren und den Eigentümer mit den entstandenen Kosten konfrontieren. Es gäbe die Möglichkeit, über eine Vorschussklage – wenn der Eigentümer nicht tätig wird – zu ermitteln, wie teuer die Sanierung wird und diese Summe einzuklagen. „Aber das schaffen viele Mieter oft psychisch nicht, denn das kann Monate dauern“, erklärt Titz. Er glaube, der Eigentümer setze darauf, dass er die besseren Nerven habe. Die Mieter sollen jedoch dran bleiben. Es gäbe genug juristische Möglichkeiten. Mieter besäßen im Gegensatz zu Vermietern oft etwa Rechtsschutzversicherungen für solche Fälle.

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