Eigenwillige Kunstaktion Performancekünstler auf dem Ahrweiler Marktplatz

Ahrweiler · Mit einer eigenwilligen Aktionen ziehen zwölf Performancekünstler Betrachter auf dem Ahrweiler Marktplatz in ihren Bann. Dabei ist nichts abgesprochen.

„Da ist keiner drin“, ruft ein Radfahrer Rolf Hinterecker lachend zu. Der Barfüßige mit Strohhut hat einen Kanaldeckel abgehoben und den Schmutzfänger herausgeholt. Unbeirrt puhlt er Zigarettenkippen und eine Münze heraus. Bedächtig sortiert er die Ausbeute. Boris Nieslony ist derweil mit seinem Senkblei unterwegs. Er wird an diesem Nachmittag auf dem Ahrweiler Marktplatz viel Zeit damit verbringen, einzelne Positionen und Situationen auszuloten. Dies tut er auch über dem Schacht neben Hinterecker, hinter Petra Deus im grünen Seidenkleid, die eigenwillig mit drei Gießkannen gleichzeitig hantiert und nicht minder bei der Papierbahn, neben der Sanmu Chan über einem mit Wasser gefüllten Kunsthandschuh hockt – wie die sich aufführen.

Genau das tun zwölf Performancekünstler, drei chinesische, eine französische und sieben vom europäischen Performancekunst-Netzwerk PAErsche, die während ihres Festivals „Punktgenau“ zu Gast im ArtLab des Kunstpavillons Burgbrohl sind – samt dessen ebenfalls beteiligter künstlerischen Leiterin Karin Meiner. Sie führen sich selbst auf, um gemeinsam Handlungen aus dem Moment heraus zu zeigen. Nichts ist abgesprochen, doch kommt es neben scheinbar parallel ablaufenden Handlungsfolgen auch zur Interaktion. Zwar ist Performance derzeit in der Kunstszene sehr begehrt, aber in Ahrweiler fragen viele teils befremdet, öfter aber interessiert: „Performance? Was ist das?“ Es gibt unauffällige Beobachter auf den Bänken bei der Kirche, Kinder, die unverhohlen staunend das Geschehen verfolgen, Menschen, die anderen helfen, etwas zu verstehen. Einer sagt: „Das hat mit Achtsamkeit zu tun, so langsam, wie die sich bewegen. Wir sollen auf etwas hingewiesen werden.“

Kontaktaufnahme mit dem Publikum

Doch Übersetzungsarbeit eins zu eins ist nicht gefragt. Man sieht etwa Karin Meiner: nähend mit ausgebreiteter Stoffbahn, die Füße in einer Schüssel Wasser. Wenn sie sich das Tuch über den Kopf zieht, wirkt sie im Bannkreis von Sankt Laurentius plötzlich madonnenhaft. Es entstehen Bilder, die irritieren, etwa, wenn Künstlerin To Yeuk kauernd Zeitungsseiten in Stücke reißt, Christiane Obermayr mit einem Thymianzweig im Mund an wechselnden Stellen verharrt oder sich die goldene Kaffeekanne der liegenden Ute-Marie Paul und die blaue Gießkanne der stehenden Marita Bullmann aufeinander zubewegen.

Mal muten die stehenden oder bewegten „Bilder“ bizarr an, mal ernst, witzig, poetisch, auch meditativ, wie drei zunehmend in Bann gezogene Zuschauerinnen finden. Anders als ihre eher aufführenden Kollegen sah Delphine Richer ihre Aufgabe in der Kontaktaufnahme mit dem Publikum. Das macht sich seinen eigenen oft faszinierenden Reim auf das Gesehene oder entspannt einfach bei den sich zumeist in Zeitlupe vollziehenden Aktionen.

Wer mehr wollte, konnte die Protagonisten fragen und erfuhr Erstaunliches. Thomas Reul etwa knüpfte mit Nieslony nicht etwa beliebige Papierstreifen zum wehenden Band, sondern lauter Sätze über Todesfälle von Immigranten auf ihrer Flucht. Und für Nanxi Liu aus Hongkong war ihr Umgang mit einem roten Luftballon eindeutig politisch motiviert. „Rot steht für China“, sagte sie. Da gewinnt der Vorgang, bei dem sie ihr Gesicht gänzlich in den Ballon drückt, so dass Nase und Mund, also ihre Kommunikations- und Lebenssysteme, abgeschnitten sind, eine ungeahnte Brisanz.

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