Razzia gegen Rechts Polizei stürmte das "Braune Haus" in Bad Neuenahr-Ahrweiler

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Dienstagmorgen, 6 Uhr: Polizisten des Landeskriminalamtes und Beamte eines Spezialeinsatzkommandos stürmen das "Braune Haus" an der zwischen Bad Neuenahr und Ahrweiler gelegenen Weinbergstraße. Fünf Bad Neuenahrer werden vorläufig festgenommen.

Bekanntlich dient das ockerfarben gestrichene, eher unscheinbare Einfamilienhaus seit mehr als zwei Jahren als zentrale Anlaufstelle der Neonazi-Szene. Mit mehreren Polizeifahrzeugen und Transportern war die Polizei in den frühen Morgenstunden angerückt, ein Hubschrauber kreiste über dem Viertel, als die Beamten mit schusssicheren Westen in das Haus eindrangen, hinter dessen bürgerlicher Fassade rechtsradikales Gedankengut gepredigt werden soll.

20 Polizisten in Schutzkleidung und 30 Zivilbeamte waren am Einsatz in der Kreisstadt beteiligt. Fünf bis zehn Neonazis, so schätzen Nachbarn, leben in dem angemieteten Haus. Sie organisieren angeblich Demonstrationen und Feiern, an denen Neonazis aus ganz Deutschland teilnehmen sollen, dabei werde auch rechtsradikale Musik gespielt.

Die Neonazis in dem "Braunen Haus" gelten als Mitglieder des rechtsradikalen Aktionsbüros Mittelrhein. Die Staatsanwaltschaft spricht von einer kriminellen Vereinigung. Im Visier der Polizei sind die Bewohner schon lange. Mit der Zwickauer Terrorzelle haben sie nach ersten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft nichts zu tun, hieß es am Dienstag.

Jährlicher Marsch von Rechtsradikalen

Mehrere antifaschistische Gruppen aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben das Haus ebenfalls seit längerem im Blick. Sie riefen erst jüngst für den 24. März zur Demo gegen das "Nazizentrum vom Aktionsbüro Mittelrhein" in Bad Neuenahr-Ahrweiler auf. Nicht zuletzt die alljährlich im November in Remagen stattfindenden Neonazi-Aufmärsche sollen auch vom "Braunen Haus" aus gesteuert sein.

Rund 300 Rechtsradikale treffen sich Jahr für Jahr am Remagener Bahnhof, um von dort aus - flankiert von einem riesigen Polizeiaufgebot und begleitet von dumpfer Trauermusik - zur "Goldenen Meile" zu marschieren. Dort hatte sich auf den Rheinwiesen ein Kriegsgefangenenlager der Alliierten befunden.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz beobachtet die Aktivitäten des Aktionsbüros Mittelrhein sehr genau und ermittelt seit geraumer Zeit. Der Verdacht: Die Bildung beziehungsweise Unterstützung der kriminellen Vereinigung "Aktionsbüro Mittelrhein", gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Im Zuge dieser Ermittlungen wurden Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle erlassen, die gestern Morgen umgesetzt wurden. Die Staatsanwaltschaft sagte: "Von diesen Menschen geht Gefahr aus."

Kein Widerstand gegen die Staatsgewalt

Das "Braune Haus" gilt als Hauptquartier des Aktionsbüros Mittelrhein, das von der Staatsanwaltschaft nach langen und aufwendigen Ermittlungen als gefährliche Organisation eingestuft wird. "Hierfür gibt es klare Anhaltspunkte", sagte Oberstaatsanwalt Hans-Peter Gandner.

Der Schwerpunkt der Polizeiaktion habe dementsprechend im Kreis Ahrweiler gelegen. Widerstand gegen die Staatsgewalt habe es bei den durchgeführten Razzien nicht gegeben, sagte der Einsatzleiter, Kriminaldirektor Wolfgang Bula.

Wie die Ermittlungsbehörden weiter mitteilten, gelte das "Braune Haus" als "Heimstatt für Rechtsradikale". Insbesondere sei von dort aus Hetzpropaganda gegen die "Linke Szene" gesteuert worden. Der politische Gegner sei unter anderem mit technischen Hilfsmitteln ausgespäht worden.

Auch sei es in der Vergangenheit zu gewalttätigen Übergriffen gekommen. So zum Beispiel am Bad Neuenahrer Bahnhof, als vier Mitglieder des Aktionsbüros Mittelrhein auf einige Angehörige der linken Szene trafen. Hierbei wurden auch unbeteiligte Zugreisende verletzt, nachdem es im Zuge der massiven Auseinandersetzung zum Einsatz von Pfefferspray gekommen war.

Der Eigentümer der Immobilie an der Weinbergstraße habe mit der rechten Szene nichts zu tun, unterstrich Gandner. Im Gegenteil: Er habe auf zivilrechtlichem Wege mehrfach versucht, seine Mieter aus dem Haus zu klagen. Erfolglos. "Was nun mit dem Haus geschieht, bleibt noch offen", so die Staatsanwaltschaft. Die bisherigen Bewohner seien jedenfalls verhaftet.

Bis Dienstagabend wurde das Gebäude von Polizisten durchsucht.

Reaktionen:

"Die Delikte, die den dort ansässigen rechten Aktivisten vorgeworfen werden, bestärken uns in der Notwendigkeit, sich hier zu positionieren. Ich bin froh darüber, dass unsere Demokratie auch ihre Wehrhaftigkeit unter Beweis stellt."

Guido Orthen, Bürgermeister von Bad Neuenahr-Ahrweiler

"Ich begrüße das entschlossene Vorgehen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten gegen die rechtsextreme Szene im Rahmen der länderübergreifenden Großaktion, die auch im Kreis Ahrweiler stattgefunden hat. Es ist wichtig, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln offensiv gegen Rechtsextremismus vorzugehen."

Jürgen Pföhler, Landrat

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