Kunstgeschichtsexkurs in Sinzig Restaurator erklärt neuen Glanz der Skulptur „Idolino“

Sinzig · In Sinzig klärt Diplomrestaurator Olaf Pung im Rahmen des Turmgesprächs des Denkmalfördervereins im Schloss über die lange Geschichte und die notwendigen Restaurationsverfahren der Marmor-Skulptur „Idolino“ auf. Für Überraschung sorgt, wo das Standbild seine Ursprünge hat.

 Diplomrestaurator Olaf Pung zeigt in Sinzig auf, wie griechische Bildhauerei die Römer inspiriert hat.

Diplomrestaurator Olaf Pung zeigt in Sinzig auf, wie griechische Bildhauerei die Römer inspiriert hat.

Foto: Hildegard Ginzler

Wer hat sie angeschafft, wie kam sie ins Schloss, die weiße Marmor-Skulptur „Idolino“, Kopie einer antiken römischen Bronze? Sind diese Umstände unbekannt, so nennt ein Papier die Jahreszahl 1897 und den Schöpfer „Professor Seeböck“. Ihn erkannte Diplomrestaurator Olaf Pung aus Thür beim Turmgespräch des Denkmalfördervereins im Schloss als „den österreichischen Bildhauer Ferdinand Seeboeck (1864–1952), der zu dieser Zeit ein Atelier in Rom unterhielt“. Die Gäste nutzten auch die Gelegenheit, im Turmzimmer das sanierte Objekt zu betrachten: Kristallin schimmert die Oberfläche, wo zuvor dumpfe Mattigkeit herrschte.

Per Mikrodampfgerät reinigte der Experte, der in Berlin fürs Pergamonmuseum und für die Bundesregierung an Antiken der Villa Massimo in Rom gearbeitet hat, das vergraute Standbild. Die Uhu-Klebenaht an der rechten Hand wurde gelöst, die Hand mit Glasfaserdübel befestigt. Fehlende Daumen, Zeigefinger und ein Mittelfingerglied wurden in Knetmasse geformt und nach dem Punktierverfahren in Marmor ausgeführt.

  Von Kopf bis Fuß gereinigt, strahlt der Idolino wie zur Entstehungszeit.

 Von Kopf bis Fuß gereinigt, strahlt der Idolino wie zur Entstehungszeit.

Foto: Hildegard Ginzler

Geschichte der Skulptur reicht bis nach Florenz

Auch die spannende Kulturgeschichte legte Pung dar. Das Vorbild des Sinziger Marmorjünglings entstand vermutlich im 1. Jahrhundert vor Christus, wurde 1530 in Pesaro ausgegraben und kam in den Besitz des Herzogs von Urbino. Heute befindet es sich im Archäologischen Museum Florenz.

„Sofort ist die Assoziation griechischer Plastik da“, wies Pung auf Parallelen in Körperbehandlung und Gesichtsschnitt hin. Auch die Skulptur des Kaisers Augustus von Primaporta orientierte sich an den Griechen. Beim Idolino von Pesaro rätsele man freilich, „ist es die exakte Kopie eines klassisch-griechischen Vorbildes oder eine Neuschöpfung im griechischen Stil, der unter Augustus vorherrschte“. Und der Jüngling selbst? Ein Athlet? „Zu wenig athletisch“. Brachte er in seiner Rechten ein Trankopfer dar oder hielt er Weinranken, wie im Rekonstruktionsversuch von 1738? Den Restaurator amüsiert das Bemühen, dem antiken Beau unbedingt eine Funktion zuzusprechen.

Eine detailgetreue Kopie

Nicht von ungefähr bezieht sich dessen Name auf die idealisierte Gestalt und Haltung. Er könnte seine Existenzberechtigung also unschwer allein von seiner Schönheit herleiten. Übrigens gaben Kulturbeflissene vieler Orte Idolino-Nachbildungen in Auftrag. Pung nannte Belege vom Niederrhein und Marokko. Zweifelsfrei jedenfalls handelt es sich beim Sinziger Exemplar um eine genaue Kopie „bis in die Haarlocken hinein“. Nur der Baumstumpf, den die Bronzefigur nicht benötigt, kam beim Marmorstandbild stützend hinzu.

Dann staunten die Gäste des lehrreichen wie kurzweiligen Vortrags, denn beide, der Idolino von Pesaro wie sein Sinziger Double, haben in einem achteckigen Raum Aufstellung gefunden und beide auf drehbaren Sockeln.

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