400 Zuhörer in Bad Neuenahr begeistert Schwarzer Humor mit Fritz und Hermann

BAD NEUENAHR · Billy Joel hat es vorgemacht. Fritz und Hermann taten es ihm nach. Zur Melodie von "We Didn't Start The Fire" sangen Rainer Pause und Norbert Alich in der Rolle ihrer Alter Egos: "Das geht uns auf die Eier". Anschließend listeten sie alles auf, was sie in Rage bringt: von der Bundesbahn bis zu Plastikmüll im Ozean.

 Bissig, musikalisch und unterhaltsam ging es mit Fritz und Hermann zu. Die Bonner Kabarettisten zeigten in Bad Neuenahr ihr Programm "Früchte des Zorns".

Bissig, musikalisch und unterhaltsam ging es mit Fritz und Hermann zu. Die Bonner Kabarettisten zeigten in Bad Neuenahr ihr Programm "Früchte des Zorns".

Foto: Martin Gausmann

Aus der Flut der Aufregerthemen pickten sie sich die Rosinen für ihr mehr als zweistündiges Programm "Früchte des Zorns" heraus - oder besser gesagt: die Perlen; denn vertrocknet war nichts von dem, was die beiden Bonner Kabarettisten auf die Bühne in der ausverkauften Konzerthalle im Kurpark von Bad Neuenahr brachten. Trocken war höchstens ihr Humor.

"Ich habe immer eine Tüte, also eine Tüte Tomaten dabei, um denen, die morgens in den Schlagzeilen standen, mal zu zeigen, was Sache ist", sagte Fritz Litzmann. Mit Frack, Blume im Knopfloch und Pomade im Haar legte der äußerlich biedernde Vereinsmeier los, kicherte wiehernd, bleckte die Zähne und attackierte Hartmut Mehdorn, der nach Tätigkeiten bei der Bahn und beim Berliner Flughafen eine neue Aufgabe im Visier habe: "Er will jetzt nach Hamburg gehen, weil er ahnt: Die brauchen jemanden, der die olympischen Spiele verhindert."

Nicht nur meckern wollte hingegen Hermann Schwaderlappen, es gebe doch auch viel Schönes in diesem Land. So sei er Feminist der ersten Stunde, plädiere gar für Mütter in Chefetagen: "Wenn man drei Kinder großgezogen hat, weiß man, wie Haushalt funktioniert."

Er lobte zynisch die weibliche Kauflust ("Ihr treibt den Kapitalismus immer weiter"), erntete aber nur wenig mitleidige "Oohs" und Pfiffe aus dem Publikum, als er zur Erklärung dafür ansetzte, warum Frauen heute bessere Examen machten als Männer: "Sie sind nicht belastet, machen das als Hobby. Wenn es nicht klappt, heiraten sie." Männer hingegen hätten die Last, eine Familie ernähren zu müssen, "und irgendwann leben wir wieder im Matriarchat und Männer müssen im Wald roten Farbstoff für die Lippen suchen."

Die zwei Kabarettisten scheuten sich jedoch auch nicht vor Themen zurück, die an die Substanz gehen. So nahmen sie sich bissig dem Thema Flüchtlingswellen an, vor denen sich Europa abschottet.

"Wir haben uns heute in Bad Neuenahr eingefunden, um die Werte unseres Vaterlandes zu verteidigen", so Fritz. Ihre Gastfreundschaft würde angesichts der mehr als 50 Millionen Flüchtlinge weltweit auf eine harte Probe gestellt. Da wurden Holländer zu Flüchtlingen, die für unzählbare Staus auf deutschen Straßen sorgen würden. Und: "Man muss denen, die heute kommen, auch mal sagen: ?Zu spät. Wir sind schon da.'"

Alles trieben Fritz und Hermann auf die Spitze, manches noch ein Stück darüber hinaus, und gerne ließen sie ihre mehr als 400 Zuhörer auch mal im Unklaren darüber, ob das Gesagte ernst gemeint war. Putin und der Diktatur ("Da kann man viel schneller entscheiden") brachten sie Sympathien entgegen. Ärgernisse fanden sie in Umweltproblemen, Zusatzstoffen in Lebensmitteln, Bildung und Ernährung ("Wofür braucht ein Vegetarier ein Gehirn? Um ein Salatblatt zu erledigen doch nicht!"). Das Ärgernis Parkplatzsuche wurde zur Psychostudie: "Was der Mensch einmal erobert hat, gibt er nicht so schnell auf." Mit demselben Phänomen wurden auch langjährige Ehen und Steuerhinterziehung erklärt.

Höhepunkte des Programms waren zudem immer wieder die von Stephan Ohm am Piano begleiteten Lieder: Im Wechsel opernhaft geschmettert (Alich) und gerappt (Pause) wurde Beethovens "Ode an die Freude" zum Aufklärungslied für die Jugend der Welt und "Route 66" zu einer Hommage an die Straßenbahnlinie ihrer Herkunftsstadt Bonn. "Bremsen tun wir nicht" sangen sie am Ende zur Melodie des Klassikers "Those Were The Days". Ungebremst war dementsprechend auch der Jubel des Publikums.

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