Eon baut resiliente Netze aus Sicherer Strom für das Ahrtal

Essen/Ahrtal · Der Energieversorger Eon stellt sich nach der Flut im Ahrtal auf weitere Katastrophen ein und setzt deshalb auf resiliente Netze. Die Stromversorgung soll deshalb nicht wieder so aufgebaut werden, wie sie war. Ein Schwerpunkt liegt auf der Digitalisierung.

 Aufgerissene Straßen, Ruinen und lose Kabel: Alle Hände voll zu tun hatten die Energieversorger im Ahrtal nach der Flutkatastrophe auch in Bad Neuenahr-Ahrweiler, um die betroffenen Anwohner wieder an das Stromnetz anzuschließen.

Aufgerissene Straßen, Ruinen und lose Kabel: Alle Hände voll zu tun hatten die Energieversorger im Ahrtal nach der Flutkatastrophe auch in Bad Neuenahr-Ahrweiler, um die betroffenen Anwohner wieder an das Stromnetz anzuschließen.

Foto: Victor Francke

Der Energieversorger Eon will sich nach der Flut im Ahrtal für kommende Katastrophen rüsten. Deshalb setzt das Unternehmen künftig verstärkt auf resiliente Netze. Denn ein widerstandsfähigerer Netzaufbau soll dafür sorgen, die kritische Infrastruktur wirksamer zu schützen und die Energieversorgung auch im Katastrophenfall bestmöglich aufrecht zu erhalten. „Was wir im Ahrtal erlebt haben, hat alle Vorstellungen gesprengt“, sagte Eon-Netzvorstand Thomas König. „Deshalb müssen wir uns fragen: Wie können wir uns besser vor solchen Extremwetterereignissen schützen?“ Die Antwort liege König zufolge im modernen Netzausbau.

Netzausbau soll Energiewende beschleunigen

Nach der Flut im Ahrtal sei einmal mehr deutlich geworden: „Ohne Strom funktioniert so gut wie nichts mehr“, sagte Königs. Deshalb gelte es, bessere Vorkehrungen zu treffen als bisher. In Anbetracht der aktuellen Lage sei das für den Energieriesen ein Drahtseilakt. Denn: „Das Gebot der Stunde lautet, dass Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit in den Vordergrund rücken“, sagt König. Dennoch sei unstrittig, dass die Energiewende durch konsequenten Netzausbau beschleunigt werden müsse, wenn fossile Energie schon bald der Vergangenheit angehören soll. „Wir müssen die Übertragungs- und Verteilernetze verstärken. Sonst kommt grüner Strom nicht zu den Kunden.“ Königs Fazit: „Der Schlüssel zu mehr Klimaschutz ist der synchrone Ausbau erneuerbarer Energien und der Stromnetze.“

In welchen Bereichen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden sollen, präzisierte Patrick Wittenberg, Geschäftsführer von Verteilnetzbetreiber und Eon-Tochter Westnetz. „Resilienz bedeutet, die Netze und Netzbetreiber auf unterschiedliche Szenarien einzustellen.“ Auswirkungen habe das auf die Netzauslegung. Heißt: Der Netzausbau solle intelligenter erfolgen, Zuverlässigkeitskriterien sollen dabei stärker berücksichtigt werden. „Eine Lehre aus dem Ahrtal ist auch, dafür die Wetterdaten zu nutzen.“ In einem zweiten Schritt soll die Steuer- und Beobachtbarkeit des Netzbetriebs erhöht werden. Ziel sei es Wittenberg zufolge, eine zuverlässige Kommunikation zu etablieren und umfassender digitale Hilfsmittel im Betrieb einzusetzen. Die bisherige Praxis gebe ihm recht, denn: „Im Ahrtal spielte sich die erste Katastrophe ab, die wir digital etwa mit Schadenerkennungssoftware oder Drohnen erfassen konnten.“ Des Weiteren soll auch das Krisen- und Notfallmanagement angepasst werden, indem etwa Krisensituationen wie Naturkatastrophen oder Cyber-Angriffe simuliert und der Umgang damit erprobt werden.

Digitale Lösungen stehen im Vordergrund

Was das Sturmtief „Bernd“ im vergangenen Jahr mit der Energieversorgung im Ahrtal angerichtet hatte, verdeutlichte Johannes Stürmer, Leiter „Taskforce Neuaufbau Hochwasser". „Die Flut war ein Ereignis, das wir in dieser Form seit dem Hochwasser in Hamburg nicht mehr kannten.“ 200.000 Haushalte seien auf einen Schlag von der Versorgung abgeschnitten worden. „Dennoch haben wir es geschafft, dass nach 14 Tagen 99 Prozent davon wieder versorgt werden konnten. Das war ein riesiger Kraftakt“, sagte Stürmer. Gelungen sei der unter anderem, weil zig Mitarbeiter freiwillig aus dem Urlaub zurückgekehrt waren. „In der Spitze waren 900 Mitarbeiter gleichzeitig im Katastrophengebiet Einsatz, um die Energieversorgung wiederherzustellen“, sagt Stürmer.

Die Krisenbewältigung sei beim Netzbetreiber in drei Phasen abgelaufen. Zuerst sei es um die Wiederversorgung gegangen, die notwendige Instandsetzungen genauso vorsah wie Provisorien oder die Aktivierung der Krisenstäbe. „Wir haben alles versorgt, was ging“, sagte Stürmer. Danach begann die Stabilisierungsphase. Vor der Heizperiode sollte möglichst alles winterfest und hell sein. Auch die Schadensanalyse ging nun ins Detail. Nun läuft der systematische Aufbau. „Und es ist bewusst ein Neuaufbau. Denn wir werden die Infrastruktur nicht wieder so aufbauen, wie sie war. Dafür sind bisher 65 Millionen Euro vorgesehen“, sagt Stürmer. „Allerdings wird das wohl kein Sprint, sondern ein Marathon.“ Auch eine mögliche Wiederholung der Ahrtal-Katastrophe haben die Experten im Fokus. Mit Blick in die Geschichtsbücher oder auf die Topografie Deutschlands werde schnell klar: „Etwas Vergleichbares sei auch abseits des Rheinlands möglich. Und ein ähnliches Hochwasser soll, wenn es nach uns geht, nicht mehr diese Folgen haben.“

Um einen resilienten Netzausbau zu gewährleisten, verweist Stürmer unter anderem auf digitale Lösungen, die eine Online-Beobachtbarkeit und -Bedienbarkeit einzelner Komponenten gewährleisten. Auch relevante Lösungen für Privatpersonen gehören für ihn dazu. „Es ist ratsam, Hausanschlüsse aus den Kellern in höhere Etagen zu verlegen.“ Wo notwendig, sollten im Katastrophengebiet Freileitungen verkabelt werden. Speziell der Strommarkt im Flutgebiet zeige außerdem: „Moderne Wärmelösungen drängen in den Vordergrund, viele davon werden voraussichtlich strombasiert sein.“ Aktuelle Entwicklungen in Technologie und Mobilität bekräftigten daher auch im Ahrtal den Trend hin zur Modellregion. „Szenarien, die wir in zehn Jahren vermutet haben, treten nun schon ein“, sagt Stürmer. „Und diese Situation wollen wir annehmen.“

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