„Wandern für den Wiederaufbau“ So voll war es am Wochenende auf dem Rotweinwanderweg

Kreis Ahrweiler · Bei Sonne satt drängen sich immer mehr Besucher auf dem Rotweinwanderweg. Doch vielerorts sind die Spuren der Flut noch deutlich zu sehen – trotzdem hatten die Orte Dernau, Rech und Mayschoß bereits vor einer Woche zum Besuch des Wegs aufgerufen.

 Bei bestem Wetter sind am Wochenende viele Menschen auf dem Rotweinwanderweg unterwegs gewesen.

Bei bestem Wetter sind am Wochenende viele Menschen auf dem Rotweinwanderweg unterwegs gewesen.

Foto: Martin Gausmann

Ein Wetter, wie die Ahr es liebt. Sonne satt auf allen Hängen. Wanderzeit. Auf dem Rotweinwanderweg will der Strom der Besucher am Samstag nicht abreißen. Entlang der Kreisstraße von Esch nach Dernau ist jeder Parkplatz belegt. Autos stehen auch dicht gedrängt am Feuerwehrhaus in Grafschaft-Gelsdorf, hoch bis zum Gewerbegebiet. Das ist ein Glück für die Besucher und auch für die Menschen an der Ahr, die alle noch mit Aufräumen, Trocknen, Sanieren beschäftigt sind und wo Hilfsfahrzeuge, Laster, Polizeiwagen und dazwischen beladene Erntefahrzeuge den Ton angeben. Und die Bundesstraße im Tal, die B 267, gleicht großenteils einer Wüstenpiste.

In Gelsdorf haben Besucher aus Jüchen geparkt. Mit dem großen Shuttle sind sie nach Dernau gefahren, mit kleineren Bussen weiter nach Mayschoß. Von dort geht`s über den Rotweinwanderweg zurück. Zu ihrer Überraschung und Freude war das Shuttle kostenlos. „Darum waren auch wir großzügig und haben uns die angebotenen SolidAHRitäts-Weingläser und auch die Armbänder gekauft“, erzählen sie bei einem Blanc-de-Noir vom Weingut Deutzerhof im Mayschosser Weinberg. Als Fans der Ahr freuen sie sich, wieder da zu sein. Trotzdem haben sie festgestellt: „Unten im Tal ist es schon bedrückend.“

Besucher wollen nicht zur Last fallen

Die Orte Dernau, Rech und Mayschoß hatten bereits vor einer Woche zum Besuch des Rotweinwanderwegs aufgerufen. Trotz des weniger einladenden Wetterberichts hatte sich auch da schon Publikum eingestellt, berichten Lee Condon-Schmitt und Alfons Schmitt, die den Stand betreuen. „Die Einladung hat sich rumgesprochen, viele wollten wohl keine Gaffer sein, fühlten sich aber durch die Berichte ermuntert“, so die Mayschosser. Ähnliches haben Pia und Britta am Nebenstand vom Weingut Mönchberger Hof gehört. „Wir haben uns erst nicht getraut“, hätten Gäste gesagt. „Ohne die Einladung wären sicher weniger Besucher gekommen“, denken die Schmitts. Mit drei Wohnmobilen sind Freunde aus Kamp-Lintfort schon am Freitagabend auf den Mayschosser Campingplatz gerollt. Sie hatten im Mai gebucht. Die Einladung der drei Dörfer hat ihnen Mut gemacht, trotz Flut zu kommen.

Zwischen Erntewagen, den Erntehelfern und den Wanderern ist kaum ein Durchkommen auf der Umgehungsstrecke über Mayschosser Weinbergswege. Hier wie auch im benachbarten Rech herrscht ein abenteuerlicher Einbahnstraßenverkehr. Rücksichtnahme ist oberstes Gebot. In Rech scheint der Verkehr trotzdem Einbahnstraße zeitweise still zu stehen, denn auch die Shuttle-Busse müssen durch. Fassungslos stehen zwei Troisdorfer auf der Nepomukbrücke und schauen auf die Brachflächen am anderen Ufer, wo einmal Fachwerkhäuser standen. „Wir kommen seit 20 Jahren zu den Weinfesten und den Martinsfeuern“, erzählen sie. „Wir hätten nicht gedacht, dass die Schäden so groß sind.“ Das Auto hatten sie in Grafschaft-Holzweiler abgestellt und sich von dort zu Fuß auf den Weg gemacht.

„You AHR not alone“ steht auf den Pullis einer Gruppe von Helfern und Freunden, die sich zusammen mit den Wanderern an den beiden Ständen am Rotweinwanderweg in Rech drängen. Die jungen Erwachsenen aus dem Saarland haben schon in den ersten Wochen an der Ahr mit angepackt. „Die Lage ist jetzt besser, aber noch nicht zufriedenstellend“, sagt einer. An einer Bude bietet Markus Bitzen vom Jagdhaus Rech warmes Essen an, der Andrang ist so groß, an ein Gespräch nicht zu denken. Daneben hat Ex-Weinkönigin Verena Kastenholz zusammen mit Mutter Bärbel Schreier Wein und andere Getränke parat. „Der Auftakt war schon gut, aber heute ist es Spitze“, stellt sie fest. Ärmbändchen und Weingläser seien sehr gefragt, berichtet sie und bedauert, dass nicht mehr Recher mitmachen. „Sie sind vermutlich in ihren kaputten Weingütern oder bei der Lese, wir könnten hier mehr Stände gebrauchen“, denkt sie. Unterwegs sind überall Stapel mit Brennholz aufgeschichtet, Vorsorge für die kalte Jahreszeit.

Plätze auf Bänken und an Tischen sind besetzt

Ganz oben im Dernauer Weinberg hat das von der Flut stark betroffene Dernauer „SektWerk“ von Dirk und Anne Wollersheim seinen Wagen platziert. Publikum sonnt sich auf Bänken, Weinbergs-Mauern und -Treppen und genießt die Winzertropfen in der Sonne. Etwa einen Kilometer weiter, oberhalb des Dorfes, herrscht Gedränge. All die vielen Plätze auf Bänken und an Tischen sind besetzt. Vor dem Verpflegungsstand hat sich eine lange Schlange gebildet.

Über das Internet hat ein Paar aus Bergisch-Gladbach von der Gemeinschaftsaktion der geschundenen Dörfer erfahren. Die Wanderfreunde sind mit dem Zug bis Remagen und dann mit dem Shuttle gekommen. „Ohne die Einladung wären wir zu Hause geblieben. Man weiß ja nicht, ob man als Tourist erwünscht ist, man kann doch nicht so einfach in ein Katastrophengebiet fahren“, erklären sie. Und damit stimmen sie mit den Initiatoren der Aktion überein. Die hatten angenommen, dass viele sich scheuten, das kaputte Ahrtal zu besuchen, um nicht zur Last zu fallen. Darum hatten sie eingeladen.

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