Austausch beim Dankesfest Sorgen und Anregungen der Tafel-Mitarbeiter

Lantershofen · Die Landes- und der Bundesvorsitzende der Tafeln standen Ehrenamtlern in Lantershofen Rede und Antwort. Eine Erkenntnis des Abends: Immer mehr Menschen der unteren Mittelschicht nehmen das Angebot der Tafel wahr.

 Auch Informationen und Anregungen wurden beim Dankesfest für die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafeln in Lantershofen geteilt (vl.): Richard Stahl, Jochen Brühl, Sabine Altmeyer-Baumann und Mary Witsch.

Auch Informationen und Anregungen wurden beim Dankesfest für die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafeln in Lantershofen geteilt (vl.): Richard Stahl, Jochen Brühl, Sabine Altmeyer-Baumann und Mary Witsch.

Foto: ahr-foto

Die in Deutschland sehr unterschiedlich strukturierten und organisierten Tafeln sind derzeit aufgrund stetig wachsender Probleme durch immer mehr „Kunden“ und immer weniger Angebot in aller Munde und in den Medien oft präsent. Doch wie sieht es hinter den Kulissen, vor allem bei den übergeordneten Tafel-Verbänden, aus? Was genau tun diese derzeit und wie versuchen sie, die aktuelle Situation zu meistern? Dass fragen sich vor allem die, die für ihre Tafel ehrenamtlich arbeiten, Waren besorgen, lagern, pflegen und verteilen. „Was sie schon immer wissen wollten“, hieß es daher am Dienstag im Winzerverein Lantershofen für die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel Ahrweiler mit ihrer Zweigstelle in Sinzig. Im Rahmen eines Dankesfestes für alle, die die Tafelarbeit nach der Flutkatastrophe im Ahrtal aufrechterhalten haben, standen der Bundesvorsitzende der Tafeln, Jochen Brühl, die Vorsitzende der Landestafeln Rheinland-Pfalz/Saarland, Sabine Altmeyer-Baumann, sowie der Geschäftsführer des Caritasverbands Rhein-Mosel-Ahr am Standort Ahrweiler, Richard Stahl, den rund 60 Gästen Rede und Antwort.

Mary Witsch, die Koordinatorin der Ahrweiler Tafel, animierte die Besucher des Dankesfestes, Fragen zu stellen. So fragte ein Mitarbeiter der Sinziger Ausgabestelle nach Möglichkeiten, dem aktuell sinkenden Angebot an Obst und Gemüse zu begegnen und verwies beispielsweise auf das interne Verbot bei Discounter Lidl, solche Sachen zu verschenken. Stattdessen steckt man dort Lebensmittel in sogenannte „Rettertüten“, die für kleines Geld verkauft werden. Der Bundesverband sei derzeit mit Lidl in Gesprächen, um die Situation zugunsten der Tafeln zu lösen und künftig wieder Obst und Gemüse als Spenden zu erhalten“, kündigte Jochen Brühl an.

16 Millionen Menschen leben in Deutschland an der Armutsgrenze

Die Tafeln verwalteten die Armut, es ändere sich in der Gesellschaft aber wenig, stellte ein anderer Mitarbeiter provokant fest und fragte die Verbandsspitzen nach ihrer Haltung zum uneingeschränkten Grundeinkommen. Brühl wies die Aussage zurück, denn die Tafeln retteten Lebensmittel und helfen Menschen. „Wir erreichen aber nur rund zwei Millionen von in Deutschland an der Armutsgrenze lebenden 16 Millionen Bürgern“, machte der Bundesvorsitzende klar. Brühl forderte, dass Hilfen für betroffene Bürger viel gezielter gezahlt werden müssten, aber das sei Sache der Politik und von dieser zu lösen. Da werden sich die Tafelverbände nicht einmischen. Brühl machte aber auch klar, dass die Zahl der Tafelkunden nicht nur wegen der Migration und den Flüchtlingswellen steige: „Es kommen mittlerweile immer mehr Menschen der unteren Mittelschicht zur Tafel. Es bleibt nun keine Zeit mehr für politisches Geplänkel, denn sonst zahlen wieder die die Zeche, die zu wenig haben“, lobte Brühl die Einigung zwischen Regierung und CDU in Sachen Bürgergeld.

Einen besseren Austausch der verschiedenen Tafeln untereinander regte ein anderer Mitarbeiter an. Hier konnte Sabine Altmeyer-Baumann antworten, dass es diesen hinter den Kulissen durchaus gebe, auch wenn man das bei den Ehrenamtlern nicht unbedingt merke. Gerade die jüngste Situation der Corona-Pandemie habe beispielsweise die 55 organisierten Tafeln in Rheinland-Pfalz und dem Saarland enger zusammenrücken lassen. Die Tafeln seien in digitalen und logistischen Austausch gekommen. Altmeyer-Baumann verwies in diesem Zusammenhang gerade auf die Ahrweiler Tafel hin. Die konnte in der Grafschaft mit Spenden der Frankfurter Gölkel-Stiftung nach der Flutkatastrophe ein großes Lebensmittel-Lager einrichten, von dessen Beständen aktuell auch zahlreiche umliegende Tafeln profitierten. „Die Einrichtung dieses Lagers war notwendig geworden, nachdem direkt nach der Flut Waren von Tafeln aus ganz Deutschland hier eintrafen, unter anderem mehrere Tonnen Lebensmittel alleine von der Wuppertaler Tafel“, ergänzte Mary Witsch.

Ehrenamtler wollen, dass ihnen Auslagen erstattet werden

Was den Mitarbeitenden noch unter den Nägeln brannte: der Umgang mit dem Ehrenamt gerade in Sachen Auslagenerstattung. Es könne nicht sein, dass die Mitarbeiter ihre privaten Fahrzeuge einsetzten, um zum Einsatzort zu kommen, oder Tickets für den ÖPNV aus eigener Tasche zahlten. Hier gab es Zustimmung von allen Seiten, zumal Rheinland-Pfalz das einzige Bundesland sei, dass seine Tafeln nicht unterstütze oder gerade erst damit begonnen habe. Nachdem das Land den Tafeln für Speditionskosten zunächst 40.000 Euro zur Verfügung gestellt habe, schoss man nun noch einmal 75.000 Euro zur Bewältigung steigender Energiekosten zu. „Aber erst nach entsprechendem Druck der Medien“, betonte Sabine Altmeyer-Baumann. „Dass das Ehrenamt draufzahlt, geht nicht. Die Gesellschaft hat sich einfach viele Jahre zu sehr auf das Ehrenamt verlassen“, monierte auch Jochen Brühl. Dem stimmte auch Richard Stahl zu: „Die Gesellschaft verändert sich gerade, der Mittelstand ist in Gefahr und das Ehrenamt wird immer wichtiger“, stellte er fest.

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