Kreis muss pro Jahr über 80 Millionen Euro aufbringen Sozialetat platzt aus allen Nähten

KREIS AHRWEILER · Aus eigener Kraft können immer weniger Menschen ihr Leben finanzieren. Auch im Kreis Ahrweiler. Über 80 Millionen Euro muss der Kreis jährlich alleine im Sozialetat aufbringen, um allen Einwohnern des Landkreises ein menschenwürdiges Leben garantieren zu können.

 Mehr Pflegebedürftige, höhere Kosten, weniger Einzahler: Schon jetzt ist die Situation problematisch.

Mehr Pflegebedürftige, höhere Kosten, weniger Einzahler: Schon jetzt ist die Situation problematisch.

Foto: dpa-Zentralbild

Viele können ohne Geld vom Staat ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten: Sie sind auf die Mindestsicherung angewiesen. Es sind 5400 Hartz-IV-Empfänger, eine drastisch angestiegene Anzahl an Asylbewerbern und Kontingentflüchtlingen, es sind kranke, pflegebedürftige Menschen, es sind Betagte, deren Renten nicht ausreichen und die deshalb den harten Gang zum Sozialamt antreten müssen.

Während Asylbewerber Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, bekommen die sogenannten Kontingentflüchtlinge über die Job-Center Hartz IV ausgezahlt. Sie werden auf die Bundesländer verteilt, nachdem sie im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommen wurden. Alleine im laufenden Jahr gab es 220 Neuzuweisungen, die über das Land Rheinland-Pfalz auf die Städte und Gemeinden im Landkreis aufgeteilt werden.

Zwölf Millionen Euro werden für die gemeldeten Hartz- IV-Empfänger im Kreis Ahrweiler aufgebracht. Zwar beteiligt sich der Bund an den Kosten, doch per Saldo bleiben sechs Millionen Euro an Kosten beim Kreis hängen, rechnet der zuständige Dezernent im Kreishaus, Klaus Kniel, vor. Gelder für Krankenkasse, Miete und Heizung schlagen ins Kontor. Prozentual die meisten Leistungsempfänger gibt es übrigens in Bad Breisig, gefolgt von Bad Neuenahr-Ahrweiler, Sinzig und Remagen. Nur wenige Leistungsempfänger gibt es indes auf der Grafschaft.

Sehr problematisch entwickelt hat sich auch die Kostensituation bei Pflegefällen. Die Leistungen der Pflegeversicherungsträger nehmen weiter ab, die Kosten für Unterbringung und Pflegedienstleistungen steigen indes immer weiter an - die größer werdenden Lücken schließt der Kreis.

Dickster Brocken im Sozialetat ist jedoch die "Eingliederungshilfe". Mit ihr soll das Leben von behinderten Menschen in der Gesellschaft leichter gemacht werden. Oftmals muss eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung finanziert werden.

Die Hälfte des gesamten Sozialhaushalts beziehungsweise fast ein Viertel des gesamten Kreishaushaltes muss für diesen Zweck aufgebracht werden.

Gestiegen ist auch die Zahl derer, die "Grundsicherung" beziehen. 400 von ihnen sind jünger als 65 Jahre und leben in normalen Haushalten, rund 300 sind stationär untergebracht, weil sie behindert oder pflegebedürftig sind. Bei 540 Menschen, die über 65 Jahre alt sind, muss die Rente aufgestockt werden - Tendenz: stark ansteigend.

Die demografische Entwicklung, die steigende Zahl der Asylbewerber und Kontingentflüchtlinge, die Zahl verarmter Menschen im Alter verheißt nichts Gutes für den Sozialetat des Kreises. "Es wird in Zukunft immer mehr Menschen geben, die pflegebedürftig sein werden und die damit verbundenen Kosten nicht aufbringen können, zumal es immer weniger Einzahler geben wird", so Sozialamtschef Klaus Kniel.

Und: Die Renten werden bei vielen nicht zum Leben reichen, die vom Kreis zu übernehmenden Kosten im Gesundheitswesen werden sich weiter entwickeln, die vom Kreis zu zahlenden Mieten und Energiekosten für Hilfsbedürftige werden neue Höhen erreichen.

Wann ist man arm?

Die EU hat die relative Armut so definiert: "Als verarmt sind jene Einzelpersonen, Familien und Personengruppen anzusehen, die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar sind."

In Deutschland wird das durchschnittliche monatliche Netto-Einkommen als wichtigster Indikator zugrunde gelegt. Mit einem Nettoeinkommen von weniger als 781 Euro gilt eine alleinstehende Person als arm. 1171 Euro sind es bei einem Paar. Als arm gilt etwa eine Familie mit zwei Kindern, der ein Einkommen von weniger als 2058 Euro im Monat zur Verfügung steht (Quelle: Statista). Armut hat viele Gesichter. Besonders betroffen sind Kinder, allein Erziehende, Arbeitslose, ältere Menschen, Behinderte und soziale Randgruppen.

Kaum zu beziffern ist das Ausmaß der "verdeckten Armut" von Menschen, die meist aus Scham keine öffentliche Hilfe in Anspruch nehmen.

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