Bürgermeister zur Ahr-Flut „Da war mir klar, wir müssen uns selbst helfen“

Update | Mainz · Mehrere Ahr-Ortsbürgermeister haben im Untersuchungsausschuss von den ersten Tagen und Wochen nach der Flutkatastrophe berichtet. Kritik gab es vor allem an der Landesbehörde ADD.

 Helmut Lussi, Bürgermeister der Gemeinde Schuld, vier Monate nach der Flutkatastrophe. Am Freitag sagte er im Untersuchungsausschuss aus.

Helmut Lussi, Bürgermeister der Gemeinde Schuld, vier Monate nach der Flutkatastrophe. Am Freitag sagte er im Untersuchungsausschuss aus.

Foto: Stephan Stegmann

Nachdem die Flut am 15. Juli durchgezogen war und sich das Wasser wieder zurückgezogen hatte, war im Ahrtal nichts mehr wie zuvor. Über Tage, ja Wochen ging es nur darum, dass das Leben irgendwie wieder funktionierte. Wie diese Zeit in den Kommunen verlief, das berichteten am Freitag im Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags zahlreiche Bürgermeister aus dem Ahrtal. Der Tenor bei nahezu allen, die an diesem Tag zu Wort kamen: Weil Strom, Wasser und Kommunikation fehlten und oft auch die Wege in die nächsten Dörfer nicht passierbar waren, waren die einzelnen Ortsgemeinden auf sich allein gestellt.

Beispiel Mayschoß: Hubertus Kunz war bis September vorigen Jahres Ortsbürgermeister. Eindrücklich schilderte der 72-Jährige, wie er mit Schwiegermutter, Frau und zwei Söhnen die Flutnacht auf dem Dach seines Hauses verbrachte. Zweimal habe er von dort aus Handykontakt gehabt, einmal mit Landrat Jürgen Pföhler, das andere Mal mit Verbandsbürgermeisterin Cornelia Weigand. „Beide waren ziemlich von der Rolle“, sagte Kunz und fügte hinzu, „da war mir klar, wir müssen uns selbst helfen.“

Kritik an der ADD zum Verhalten nach der Flut

Zwei Tage nach der Flut habe er einen Krisenstab für sein von der Außenwelt abgeschnittenes Dorf eingerichtet. Ein örtlicher Lebensmittelhändler habe sich um die Versorgung gekümmert, ein Bauingenieur habe den Auftrag erhalten, einen 3,5 Kilometer langen Feldweg zu einer Straße umzubauen. „In sieben Tagen war die Straße fertig.“ Zudem seien „zu unserem großen Glück“ zwei Feuerwehrleute aus Neustadt an der Weinstraße gekommen, die Erfahrung aus der Elbeflut hatten und wussten, was man in abgeschnittenen Dörfern braucht. „Die hatten einen Funkwagen und haben für uns Rettungssanitäter, einen Hubschrauber, Medikamente und Stromaggregate organisiert.“

Weniger Positives berichtete Kunz über die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD). Die hatte drei Tage nach der Flut die Einsatzleitung von der Kreisverwaltung Ahrweiler übernommen. Sie habe „alles verkompliziert“. Beispiel Versorgung: Weil die meisten Dörfer nördlich der Ahr lägen und fast alle Brücken kaputt gewesen seien, sei es ungünstig gewesen, die Versorgung vom Nürburgring aus zu organisieren. „Das sind von uns aus 84 Kilometer. Bis zu Haribo auf der Grafschaft wären es nur zehn Minuten gewesen.“ Das Urteil von Kunz: „Eine Aufsichtsbehörde kann Aufsicht führen, aber keine Krise bewältigen.“

Auch von anderen Bürgermeistern bekam die damalige Einsatzleitung ihr Fett weg: „Als die ADD die Koordination übernahm, brauchten wir für manche Aufgaben erst das Okay des Präsidenten, ein neues Formblatt oder sonst eine Genehmigung. Das war kontraproduktiv“, sagte Helmut Lussi, der Ortsbürgermeister von Schuld. Der Adenauer Verbandsbürgermeister Guido Nisius nannte die Arbeit der ADD „sehr unkoordiniert und am täglichen Bedarf vorbei“. Es habe keine wirklichen Ansprechpartner gegeben. Wenn er Meldungen dorthin gegeben habe, seien die teilweise versandet. Zudem habe die ADD „hochdekorierte Feuerwehrleute“ aus München oder Berlin geschickt, „die uns zeigen sollten, wie Katastrophenschutz funktioniert“. Das sei so weit gegangen, dass sein Feuerwehrchef die Brocken hinwerfen wollte. Nisius berichtete von einem Krisengespräch mit der ADD am 24. Juli. Danach habe die Einsatzleitung eingesehen, „dass es in Adenau auch so läuft“, so der Verbandsbürgermeister.

Auch der Altenahrer Ortsbürgermeister Rüdiger Fuhrmann übte Kritik an der ADD: „Wir hatten nicht das Gefühl, dass uns von dort viel geholfen wurde.“ Bis Anforderungen von der ADD positiv beschieden worden seien, habe es oft mehrere Tage gedauert. Sehr positiv berichtete er davon, dass die Bundeswehr zum Beispiel in Altenburg schnell Strukturen aufgebaut und jeden Tag um 10 Uhr eine Besprechung mit allen Beteiligten durchgeführt habe. Danach sei sehr koordiniert gearbeitet worden.

Lob für Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr und die vielen Freiwilligen

Während die Bürgermeister Lobeshymnen auf die Bundeswehr, die Polizei, die Feuerwehr und die vielen Freiwilligen sangen, gab es Kritik am Technischen Hilfswerk (THW). Erst eine Woche nach der Flut sei eine Gruppe aufgeschlagen, sagten Peter Richrath, Ortsbürgermeister von Antweiler, und sein Kollege Udo Adriany aus Müsch. Lussi berichtete, dass die THW-Einheiten oft ausgetauscht worden seien. „Das war nicht so produktiv.“

Und dann wollte Lussi noch etwas loswerden: Diese Katastrophe habe keiner voraussehen können. Und auf Landesebene sei ein Bauernopfer für die Flutkatastrophe gesucht worden. Klar, er meinte den früheren Innenminister Roger Lewentz. Für ihn habe der Hauptschuldige für all das, was nicht funktioniert habe, in der Kreisverwaltung Ahrweiler gesessen. Unschwer zu erraten, dass er Landrat Jürgen Pföhler meinte. Er habe kein Verständnis, dass dieser „seinen Porsche aus der Garage gefahren hat, mit dem Hund spazieren gegangen ist und nach ein paar Tagen gesagt hat, er sei krank“, sagte er.

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