Klassik in Ahrweiler Virtuosität und Verträumtheit

AHRWEILER · Im Fokus des Konzerts von Pianist Menachem Har-Zahav in der ehemaligen Synagoge Ahrweiler standen die „Russischen Romantiker“, darunter auch Komponisten, die sonst eher selten in Konzertprogrammen zu finden sind.

 AW Synagoge Klavierkonzert Menachem Har-Zahav

AW Synagoge Klavierkonzert Menachem Har-Zahav

Foto: gausmann

Das gut besetzte Haus verzauberte der in Israel geborene Wahl-Deutsche mit einer gekonnten Mischung aus hochanspruchsvoller Virtuosität und innigem Klavierton, der mehr als einmal zu ausgiebigem Träumen einlud.

Wenn eine Erkenntnis dieses Abends übrig blieb, dann diese, dass die russischen Komponisten Meister der Kontraste gewesen sind. Schon die verhältnismäßig einfache Tarantella von Mili Balakirew präsentierte sich als kontrastreiches Tanzstück, das es Interpret wie Publikum ermöglichte, in diese besondere Klangwelt einzutauchen. Es folgten zwei Etüden von Alexander Skrjabin. Unter Etüde darf man sich dabei jedoch kein Übungsstück für junge Pianisten vorstellen, sondern hochkomplexe Kompositionen, die jeweils einen Aspekt der Klaviervirtuosität in den Fokus stellen. In op. 2,1 musste Har-Zahav höllisch aufpassen, dass sich seine Finger in der engen Lage nicht gegenseitig in die Quere kommen und die Oktaven von op. 8,12 verlangten eine gehörige Portion Zielwasser.

Der Tastenakrobat glitt ohne Mühe durch die Stücke und hinterließ oft ein ungläubiges Publikum, das folgerichtig umso lauter applaudierte. Kernstück der ersten Hälfte war die Dumka op. 59 von Pjotr Tschaikowski. In Wellenbewegungen wurde die gesamte Klaviatur durchmessen und mit unterschiedlichsten Bildern ein großes Panorama geschaffen. Zu mittelalterlichen Klängen konnten die Zuhörer die Augen schließen, wurden jedoch mit dem verstörenden Schluss ziemlich im Regen stehengelassen. Zum Glück folgte der Walzer op. 40,8, der zwar auch nicht ungetrübt daherkam, im Vergleich zum Vorgängerstück jedoch als Befreiung wahrgenommen wurde.

Auch Sergei Ljapunow hat sich der Kompositionsart der Etüde gewidmet. In seiner Carillon aus der „Étude d’execution transcendante“ op. 11,3 wird in verschwimmenden Klängen ein Wechselspiel zwischen Höhe und Tiefe zelebriert. Die Herausforderung war es, in diesem gewollten Versteckspiel die Melodie nicht zu verlieren. Lohn der Mühe war wiederum ein facettenreiches Bild, das jedem Besucher sein ganz eigenes Klangerlebnis schenkte.

Balkirews „Islamey“ kam als großartiger Ritt daher, der durch zahlreiche Ruhepunkte tiefer Innigkeit und Verträumtheit unterbrochen war. Ging zunächst ein Staccato-Feuerwerk über das Publikum hinweg, wurde in immer neuen Anläufen eine Abendstimmung besungen, welche besonders gut zum grauen Wetter vor den Scheiben passte. Mit Sergei Rachmaninows Sonate Nr. 2 op. 36 fand das Konzert seinen letzten Höhepunkt. Wilde Läufe, wuchtige Akkorde und eine herbe Lieblichkeit, wie sie charakteristisch ist für die russischen Komponisten, ließen keine Wünsche offen.

Das begeisterte Publikum entließ Har-Zahav nicht ohne Michail Glinkas „Die Lerche“ als Zugabe in den Feierabend.

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