Theater in Ahrweiler Vom Sterbenwollen zum Plädoyer fürs Leben

AHRWEILER · Bündnis gegen Depression startet Kampagne 2016 mit Theaterstück „Norway today“ im Zunfthaus-Forum.

 Auf der Bühne: Marget Flach und Samuel Pock. FOTO: GAUSMANN

Auf der Bühne: Marget Flach und Samuel Pock. FOTO: GAUSMANN

Foto: Martin Gausmann

Julie hat gehabt. Sie will nicht mehr. Die 20-Jährige beschließt ihren Freitod. Doch den will sie nicht alleine begehen. In einem Chatroom lernt sie August kennen. 19 Jahre. Für ihn ist das Leben ein Fake. Nicht auszuhalten. Gemeinsam beschließen sie, sich in Norwegen von einer 600 Meter hohen Klippe zu stürzen. Doch es kommt alles anders.

Mit dem Theaterstück „Norway today“ von Igor Bauersima startete das vor sechs Jahren aus der Taufe gehobene Bündnis gegen Depression Rhein-Ahr-Wied im Ahrweiler Zunfthaus-Forum seine Kampagne 2016. Das Stück basiert auf einem realen Fall, bei dem die Jugendlichen gesprungen sind. Bauersima lässt das Ende offen. Sachlich diskutierend, schreiend, tobend, umarmend, flennend und über dem Abgrund tanzend – die Schauspieler Marget Flach und Samuel Pock liefern ein Wechselbad der Gefühle zwischen Immanuel Kants „Leuten, die Augen haben und nicht sehen, Ohren haben und nichts hören“ und James Dean im Filmklassiker „Denn sie wissen nicht, was sie tun“. Aus einer Geschichte über das Sterbenwollen wird ein Plädoyer für das Leben.

Drei Landkreise und fünf psychiatrische Kliniken bilden seit 2010 das Bündnis gegen Depression Rhein-Ahr-Wied: Ahrweiler, Mayen-Koblenz und Neuwied sowie die Rhein-Mosel-Fachklinik des Landes in Andernach, Ehrenwall und die DRK-Kinder- und Jugendpsychiatrie in Ahrweiler sowie die Fachkliniken in Waldbreitbach und Saffig. Mit Vorträgen, Diskussionen, Filmen und seit Donnerstag auch mit dem Theaterstück unter Regie von Isa Mick-litzen sagt das Bündnis der Krankheit den Kampf an.

„Obwohl Depression eine sehr häufige Erkrankung ist, wird sie in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen und oft missverstanden“, sagte Christoph Smolenski, Chef der Ehrenwall-Klinik im Zunfthaus-Forum dem General-Anzeiger. Es sei eine Krankheit wie Diabetes oder Bluthochdruck. „Sie ist kein Ausdruck persönlichen Versagens. Die Krankheit kann jeden treffen: Menschen aller Altersgruppen, Berufe und sozialer Lagen“, ergänzte Stefan Elsner, Chef der Rhein-Mosel-Klinik in Andernach. Wichtig für die beiden renommierten und anerkannten Psychiater: „Depression ist keine Einbildung, sondern eine häufige und oft lebensbedrohliche Erkrankung.“

Letzteres erlebten die knapp 150 Zuschauer – Betroffene, Angehörige, Neugierige – im Zunfthaus-Forum quasi live. Und nahmen auch mit, dass aktuell rund vier Millionen Menschen in Deutschland an der Krankheit leiden, die manchmal nur schwer von einer alltäglichen Verstimmung oder einer Lebenskrise zu unterscheiden ist. „Auch für Ärzte“, sagte Smolenski, „die, wie die Betroffenen, zunächst an eine körperliche Erkrankung denken.“

„Eine Depression ist weder persönliches Versagen noch unabwendbares Schicksal, sondern eine Erkrankung, die sich in der Regel gut behandeln lässt“, erklärte Elsner. Das sahen Betroffene am Rande der Veranstaltung im Gespräch mit dem GA auch so. „Das ging bei mir soweit, dass ich am Schreibtisch in meiner Behörde vor Erschöpfung eingeschlafen bin“, sagte ein Mittfünfziger. Zehn Wochen Klinik, neues Denken, neues Leben mit ambulanter Behandlung. Heute geht es dem Mann gut, denn er hat erkannt: „Ich bin verantwortlich dafür, dass es mir gut geht.“

Infos zum Bündnis gegen Depression: www.buendnis-depression.de.

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