Vor 70 Jahren hörte man in Heimersheim Lieder aus vielen Häusern klingen Vom "Wentsgeschier"

HEIMERSHEIM · Oft hat es den Anschein, Bräuche seien uralt und lebten unverändert fort, so selbstverständlich erleben wir sie. Das Gegenteil aber ist der Fall, da auch Bräuche dem Wandel unterliegen. Das wird für den Advent am Beispiel Heimersheim sehr anschaulich.

 Ein Bild aus alten Tagen: Kinder mit Adventskranz.

Ein Bild aus alten Tagen: Kinder mit Adventskranz.

Foto: LVR

Und zwar dank der von Pfarrer Kurt Butterbach 1944 verfassten Schrift "Das religiöse Brauchtum innerhalb der Pfarrei Heimersheim/Ahr".

Ganz exakt datiert er etwa den Einzug des heute nicht mehr wegzudenkenden Adventskranzes. "Im christlichen Heim ist er erst Sitte geworden, als der große Kranz im Jahre 1936 zum ersten Mal in der Kirche hing. Im Kindergarten hing er schon im Jahre 1925."

Ihm ging ein genügsames Adventzeichen voraus, ein Halter aus drei Stricknadeln und zwei Kartoffeln mit einer Kerze obenauf. Sie brannte in den Familien, "allabendlich beim gemeinsamen Rosenkranz".

Butterbach beschreibt, wie ihm vor Jahren ein kleines Kind begegnete, in der Hand eine dicke Kartoffel mit eingestecktem Tannenzweig und Kerze. "Auf meine Frage, was das denn sei, sagte das Kind nur ein Wort: ?Wentsgeschier? (Adventsgeschirr)."

Statt Kartoffeln kamen dann Äpfel zum Einsatz. Von einer Vinzentinerin des Kindergartens erfuhr Butterbach, "es gibt kaum ein Kind, das nicht jeden Abend vor seinem brennenden Kerzchen singt und betet". Und der Geistliche beobachtete: "Wer an einem Adventsabend durchs Dorf geht, hört die Adventslieder aus vielen Häusern klingen".

Er berichtet zudem über das sogenannte "Frauentragen", das die Heimersheimer bis zur Auflösung der katholischen Jugendverbände praktizierten. Dabei wanderte eine Muttergottesfigur im Advent von Haus zu Haus, jeweils von einem Abend bis zum nächsten.

In dem Zimmer war ein Altar vorbereitet und vor dem Marienbild wurde gesungen und gebetet. Mehr noch: "In den Familien, die die Mutter Gottes beherbergen durften, war es selbstverständliche Sitte, dass sie an diesem Tage vor allem die gegenseitige Liebe übten und außerdem jeder ein besonderes Werk der Barmherzigkeit tun musste: dem hohen Besuch zu Ehren."

Besonderer Eifer galt in den Familien dem Krippenbau, wobei Butterbach anmerkt, in früheren Jahren sei er noch stärker gewesen und durch Theodor Klein, 1911 bis 1934 Pastor in Heimersheim, mit Hilfe der Jugendvereine sehr gefördert worden. Eine ganze Zimmerwand beanspruchte der Aufbau meist in den Häusern. Und in den Sälen des Pfarrheims präsentierte man jedes Jahr eine große Schau der selbstgebauten Krippen.

Die Ideen dazu wurden teils importiert: "In der ersten Woche des Advents fuhren einige Jungmänner nach Köln und sahen die Krippen bei Lang (Oberammergau) und Pustet an; was sie gesehen, erzählten sie an einem Abend und manch einer fing nach diesen Anregungen an, seine Krippe zu bauen." Dennoch überwogen die Heimatkrippen", die das Weihnachtsgeschehen in die heimatliche Landschaft stellten.

In den Familien sammelten die Kinder Strohhalme, um die Krippe des Christkindes bequemer zu machen.

Sie mussten sich die Halme durch gute Taten, Gebete, Verzicht verdienen. Butterbach schreibt: "So war es bis vor einigen Jahren auch in allen Schulen der Pfarrei Sitte. Einmal hatten die Schulkinder sogar - mein Einverständnis stillschweigend voraussetzend - eine Krippe in der Heppinger Kirche ausgestellt und brachten morgens für jeden Besuch der Werktagmesse im Advent je einen Strohhalm mit."

Außer dem Adventskranz hat sich nach 70 Jahren kaum eine der genannten Brauchformen erhalten, doch wird so manche neuere Übung bereits zur Tradition geworden sein.

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