Kreuzbundgruppe in Bad Neuenahr Von wegen "Drink doch ene met"

KREIS AHRWEILER · Karneval kontra Kölsch und Kabänes, diese Kombination gibt es im Kreis Ahrweiler nur einmal - und das seit 32 Jahren. Es ist die Karnevalssitzung des Kreuzbundes, die jährlich Hunderte von Jecken lockt, die "ganz ohne Blei feiern wollen".

 Karneval und Alkoholkonsum: Für Jugendliche Jahr für Jahr eine gefährliche Allianz.

Karneval und Alkoholkonsum: Für Jugendliche Jahr für Jahr eine gefährliche Allianz.

Foto: dpa

Die Sitzung ist vor allem Werbung für das "Trockensein" und ein Appell, schon das erste Glas Alkohol stehen zu lassen. Mit Alkohol kennt sich Werner Steber (54) aus. Er ist ein sogenannter "Führerschein". Denn als sein Lappen vor fünf Jahren wegen deutlich zu viel Promille am Steuer kassiert wurde, fand er den Weg zum Kreuzbund, einer Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft für Alkohol- und Suchtkranke und deren Angehörige. 100 Mitglieder zwischen 20 und 80 Jahren hat die Kreuzbundgruppe in Bad Neuenahr, davon mehr als die Hälfte "Führerscheine".

Werner Steber ist längst trocken, auch im Kopf. Und hat Karriere gemacht. Heute ist er einer der Gruppenleiter, kennt aus eigener Erfahrung die Angst beim ersten Besuch: "Ich habe mich lange selbst betrogen, geglaubt, ich könnte kontrolliert trinken. In der Woche täglich zwei Liter Bier, am Wochenende heidewitzka. Bis die rote Kelle kam." Ab da ging ohne Ehrlichkeit nichts mehr. Steber stand mit schlotternden Knien vor der Hauptstraße 91 in Bad Neuenahr, beim Kreuzbund.

Wie auch Monika Pfahler (43), deren Suchtvita einer Rundtour durch eine Apotheke nebst angeschlossenem Chemielabor gleichkommt. Seit zehn Jahren ist sie clean, heute Gruppenleiterin des Kreuzbundes, der auch eine eigene Frauengruppe hat, sowie Organisatorin der "bleifreien Sitzung".

Sie weiß um die Probleme besonders der jungen Leute, die sich hilfesuchend dienstagabends in der Info-Gruppe melden. "Die sind meist mehrfach abhängig, dröhnen sich mit Schitt, Amphetaminen oder Sprit gleichermaßen zu." "Wichtig ist, erst einmal körperlich trocken zu werden, eine Entgiftung durchzuziehen", sagt Steber. Dafür gebe es Kliniken. "Kalter Entzug" ohne Arzt gehe zwar auch, berge aber immer Gefahren. Und schaden könne eine Therapie auf keinen Fall. Das alles sei aber nicht Pflicht. "Wer kommt, ist da, und wenn er wiederkommt, ist es noch besser", sagt Pfahler. Wichtig sei die eigene Erkenntnis, suchtkrank zu sein. Die Gruppe sei dann das Instrument, aus dem Teufelskreis auszusteigen. "Da sitzen Leute, an deren langer trockener Erfahrung Neulinge teilhaben können - ohne Ratschläge und Besserwisserei", ergänzt Steber. Nur helfen müsse sich der Suchtkranke schließlich selbst.

Nicht gerade gut kommt bei ihm das Thema Prävention weg: "Wir würden gerne mehr machen. Aber Anfragen kommen meist nur von Kirchen. Dabei wären wir auch bereit, in Schulen zugehen." Es sei einfach authentischer, "wenn ein Ex-Alki oder ehemaliger Junkie Schüler durch seine Vita schlucken lässt", als wenn Theoretiker wie Lehrer oder Referenten angelesenes Fremdwissen von sich gäben. Auch die Gesundheitsämter könnten mehr leisten als die jährliche Pressemeldung zu "Jugend, Alkohol und Karneval".

Was Pfahler ärgert, ist zudem, dass außer den Sucht-Ärzten, die regelmäßig mit den Gruppenleitern Kontakt hätten, "viele Mediziner nur eine Art Halbwissen über die Selbsthilfegruppen haben". Deshalb sei es fast die Regel, dass ein Großteil der Süchtigen von Angehörigen quasi angeschleppt werden müsste. Dabei sei, so Steber, alles eigentlich einfach: "Man muss nur aufhören wollen und es dann auch tun." Damit das funktioniere, dafür gebe es die Gruppen. Natürlich gebe es auch Rückfälle, "aber die sind nicht Pflicht". Sanktioniert werde keiner. Nur wenn ein Leiter rückfällig würde, dann "geht's zurück ins Glied". Aber das sei noch nie passiert. "70 bis 80 Prozent unserer Gruppenmitglieder bleiben trocken oder clean. Aber die Gefahr lauert jeden Tag an fast jeder Ecke", wünschen sich die beiden Gruppenleiter unisono wie beim Tabak ein Verbot der Alkoholwerbung. "Aber das wird's wohl nicht geben."

Karneval ohne Kölsch und Kabänes steigt am Freitag, 6. Februar, ab 19 Uhr in der Festhalle Landskron in Heimersheim. Karten zum Preis von zwölf Euro gibt es beim Kreuzbund.

Selbsthilfe

Der Kreuzbund bietet jeden Dienstag von 19.45 bis 22 Uhr ein Info- und Orientierungstreffen an der Hauptstraße 91 in Bad Neuenahr an.

Telefon: Montag bis Mittwoch von 20 bis 22 Uhr, Tel. 0 26 41/2 18 00.

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