Zehn Jahre Ahrweiler Tafel Wo Menschen Menschen helfen

BAD NEUENAHR · Die Ahrweiler Tafel feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Die steigende Anzahl der zu versorgenden Personen bereitet den Verantwortlichen jedoch Sorgen.

 Schlangestehen für Lebensmittel: Immer mehr Menschen sind von Armut und Ausgrenzung bedroht

Schlangestehen für Lebensmittel: Immer mehr Menschen sind von Armut und Ausgrenzung bedroht

Foto: picture alliance / dpa

Wer etwas feiert, ist in der Regel stolz auf das Erreichte. Das ist bei den Verantwortlichen der Ahrweiler Tafel nicht der Fall. Zwar sind alle den 70 Lebensmittelspendern und 120 ehrenamtlichen Helfern überaus dankbar. Aber dass die Zahl der zu versorgenden Personen von 300 in 2006 auf mehr als 1100 im Januar 2016 gestiegen ist, treibt ihnen Sorgenfalten ins Gesicht. Daher stand das Motto des Begegnungsfestes zum zehnten Geburtstag im Evangelischen Gemeindehaus am Montag auch unter dem Motto „(K)ein Grund zum Feiern?“.

Für die ökumenischen Kooperationspartner Caritas, Evangelische Kirchengemeinde, Dekanat Ahr-Eifel und Diakonie begrüßte Uwe Moschkau vom Diakonischen Werk die rund 150 Gäste, die um das Engagement der Tafel-Akteure, die nur mittels Spenden operieren, wissen. Das Thema Armut im Kreis werde durch die Tafel spür- und sichtbar gemacht. Aus der Idee „Verteilen statt vernichten“ sei ein mittelständisches Unternehmen mit den beiden Standorten in Ahrweiler und Sinzig entstanden.

Unter der Gesamtmoderation von Dekanatsreferentin Andrea Kien-Groß wollte sich die Gastgeberin als Mahnerin der Politik verstanden wissen. „Das Unternehmen Tafel expandiert ständig. In der Wirtschaft würde gefeiert, aus Sicht der Kirchen und Wohlfahrtsverbände stellt sich die Entwicklung dramatisch dar“, so Kien-Groß. Anstöße zur Armutsbekämpfung müssten gegeben werden mit der Fragestellung, ob und wie Politik einen noch besseren Beitrag zur Bewältigung dieses Problems leisten könne.

In seinem Impulsreferat nannte Stefan Sell, Direktor des Instituts für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung, der die steigende Armut an Rhein und Ahr plastisch vor Augen führte, auch Kritikpunkte. Die Tafeln seien nicht geschaffen worden, um Millionen von sozial schwachen Menschen zu speisen, sondern für Obdachlose und um die Vernichtung von Lebensmitteln zu verhindern. „Die Ehrenamtler sind massiv überfordert. Die Tafeln haben Sicherungslücken im System zum Teil kompensiert, doch das ist nicht ihre Aufgabe.“

Seine Ansätze: höhere Regelsätze und mehr Teilhabe durch Verbesserung der Mobilität. „Mit einer kostenlosen Monatskarte könnten Betroffene den Hintern hochbekommen.“

Horst Gies (CDU), Marcel Hürter (SPD), Wolfgang Schlagwein (Grüne), Johannes Hüdepohl (AfA), Ulrich van Bebber (FDP), Marion Morassi (Linke) sowie Marion Eisler vom Diakonischen Werk sowie die beiden Kunden Ralf Lobe und Elke Straub saßen mit auf dem Podium.

Während die Politiker ein Mehr an Teilhabe oder eine Vermögenssteuer forderten, fanden die Betroffenen, „dass der Tafelbesuch ein besonderes Ereignis ist, weil dort auch soziale Kontakte gepflegt werden“. Lobe: „Hartz IV bedeutet das Aus bei einer Längerfristigkeit, weil man bei jeder außerplanmäßigen Investition in die Schuldenfalle tappt.“ Eisler betonte, dass ihr Kerngeschäft die Beratung und Begleitung von Menschen sei und nicht die Beschaffung von Mitteln. Von der Vision, dass die Tafel überflüssig wird, sei man weiter entfernt denn je.

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