Konzert in Bad Neuenahr Zwischen Heidewitzka und „ärm Dier“

BAD NEUENAHR · Der Künstler Willibert Pauels begeisterte in der Konzerthalle in Bad Neuenahr 500 Zuschauer mit seinen humorvollen und satirischen Auslassungen zu Kirche, Karneval und „Klappse“.

 Willibert Pauels auf der Bühne der Konzerthalle in Bad Neuenahr.

Willibert Pauels auf der Bühne der Konzerthalle in Bad Neuenahr.

Foto: Martin Gausmann

Dass offizielle Programm hatte noch gar nicht begonnen, da genügte ein „Antippen“ und 500 Zuschauer in der schon seit Monaten ausverkauften Bad Neuenahrer Konzerthalle sangen kollektiv und ohne weitere Anleitung „Heidewitzka, Herr Kapitän“.

Kaum der „Krypta“, also der Künstlergarderobe unter der Konzertmuschel, entstiegen, hatte Willibert Pauels das Publikum schon komplett für sich eingenommen. Wer aber dachte, dass der Mann auf der Bühne, nur weil er wie ein Clown dastand, mitten in der Fastenzeit für die folgenden anderthalb Stunden nochmal die fünfte Jahreszeit aufleben ließ, dachte falsch.

„DiaClown“ Pauels, der seine beiden Passionen als Redner mit Pappnas’ in der Bütt und als Diakon auf der Kanzel schon immer verbunden hat, fügte seiner „Mischung aus Karneval und Christenlehre“ eine Komponente hinzu: das Thema „Depression“ respektive gemeinhin das, was man im Rheinland „et ärm Dier“ nennt, wie er konstatierte.

Schon beim „kleinen Prolog“ vor Programmbeginn ging er „direktemang“ auf die Krankheit ein, die ihn für eine Weile aus der Bahn geworfen hatte: raus aus der Bütt, rein in die Klinik und dann doch wieder zurück auf die Bühne, aber vor allem auch wieder hauptberuflich zurück in die Profession des Diakons, die er zugunsten seiner professionellen Ausrichtung als „Bergischer Jung“ aufgegeben hatte.

Unumwunden gab er allen recht, die eigentlich gedacht hatten: „Dä Pauels mäht nix mieh. Dä hätt’ et mit de Nerven.“ Auf Anraten seines Arztes mache er auch keine 200 bis 300 Termine mehr in einer einzigen Karnevalssession wie bis zu seinem Klinikaufenthalt Ende 2012, aber „seit gut einem Jahr wieder einige ausgewählte Termine“, wie auch Michael Neißen vom Veranstalter Neißen-Events erklärte.

Rückkehr des Frommen Jecken

Vielfach „ganz der Alte“ war der „Bergische Jung“, der sich als frommer Jeck unter dem Motto „Es dat nit herrlich!?“ präsentierte. Er kalauerte, kokettierte, parodierte Heinz Rühmann alias Pater Braun, sprach wie Willy Brandt („Ich sammle alle Witze, die Menschen über mich machen“) und Erich Honecker („Ich sammle alle Menschen, die Witze über mich machen“), sang wie Wolf Biermann („Das kann doch nicht alles gewesen sein“) und widmete sich den spezifischen Eigenschaften von Rheinländern und Westfalen, evangelischen und katholischen Pfarrern („Beim evangelischen Pfarrer weht die Kinderwäsche im Haus, beim katholischen im ganzen Dorf“) sowie der Natur respektive Kultur des (religiösen) Witzes.

Zum Lachen ging er nicht selten in eine Bühneecke und raufte sich dabei die Haare. Aber vor allem im zweiten Programmteil nahm er Clownhut, Pappnase und Brille oft auch mal ab und wurde zuweilen ernster, wenn er von der „Höllenkrankheit“ sprach, die er schon seit Kindertagen kenne, und von deren Behandlung.

Ziele der Therapie

„Gute Medikamente sind das eine“, sagte er mit offenem Blick ins Publikum. Das Ziel einer guten Therapie sei aber, Schritt für Schritt die Perspektive zu ändern: „Nicht die Dinge sind entscheidend, sondern wie ich die Dinge sehe.“

Humor bedeutet für Pauels, über den Dingen zu stehen und so der Perspektive der Enge und Angst zu entkommen. Das war für ihn auch der Schlüssel zur Beantwortung der Frage, warum Diktatoren nicht mit Humor, sondern mit Angst arbeiten und Spaßmacher verfolgen, und warum Kardinal Meisner „seinen“ Diakon in der karnevalistischen Bütt immer wieder gewähren ließ, auch wenn ihn danach viele Beschwerdebriefe erreichten.

„Wenn eine Religion gesund ist, kann sie über sich selber lachen. Humor ist eine Form der Religion. Nur wer über den Dingen steht, kann sie belächeln“. Die Zuschauer quittierten es mit begeistertem Beifall, und einer bilanzierte den Abend ganz rheinisch: „Su jett is schöner wie en Sitzung.“

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