Erich-Kästner-Realschule plus Neuntklässer reinigen die 36 Bad Neuenahrer Stolpersteine

BAD NEUENAHR · Es ist am Holocaustgedenktag schon eine besondere Art der Spurensuche: 15 Schüler der Klasse 9 R der Erich-Kästner-Realschule plus knien sich in der Bad Neuenahrer Innenstadt zehnmal nieder, um akribisch die Stolpersteine zu reinigen - aber auch um das Schicksal, das die jüdischen Mitbürger ereilt hat, laut vorzulesen.

 Sebastian Heim und Christian Cramer (rechts) greifen auch in der Wendelstraße zur Messingpaste, um die Stolpersteine zu reinigen.

Sebastian Heim und Christian Cramer (rechts) greifen auch in der Wendelstraße zur Messingpaste, um die Stolpersteine zu reinigen.

Foto: Martin Gausmann

Geht es beim Treff für den "Geschichtsunterricht zum Anfassen" auf dem Alten Markt mit Lehrer Henning Veit und SPD-Ratsfrau Elisabeth Graff noch ein wenig flapsig zu - "Ich bin ein Junge, ich nehme kein rosa Schwammtuch" - so fehlt es den jungen Leuten während der außergewöhnlichen Aktion keine Minute am nötigen Ernst und Respekt.

"Hauptsache, wir tun 'was Gutes", sagt eine Schülerin spontan, als in der Wendelstraße 9 die ersten drei von insgesamt 36 Stolpersteinen, die Künstler Gunter Demnig seit 2012 für die Opfer des Nationalsozialismus verlegt hat, auf Hochglanz poliert werden.

"Es ist wichtig, dass nicht nur an Gebäude, sondern auch an Menschen erinnert wird", erklärt Graff, die mit ihrer Fraktion im Stadtrat die Aktion angestoßen hatte. Schon bei der Verlegung hatte Bürgermeister Guido Orthen betont: "Der Augenblick, in dem der Terror ein Gesicht bekommt, ist ein zutiefst bewegender. Jetzt sind diese Menschen nicht mehr anonym. Die persönlichen Schicksale bleiben Verpflichtung für uns."

Der Verpflichtung kommen die Schüler - nachmittags kümmern sich die Bad Neuenahrer Grundschüler mit Klaus Liewald um die sechs Stolpersteine in Heimersheim - intensiv nach. Da wird Messing-Putzpaste aufgetragen, da wird poliert und da wird auch festgestellt, dass manche Opfer des Nazi-Regimes nicht älter als zwölf Jahre wurden.

Wie der 1942 deportierte Armin Epstein aus der Poststraße 7. Nachdenklich werden die Neuntklässler vor dem Haus Rieck in der Kreuzstraße 32. Graff erzählt von Familie Elkan, und dass in der Reichspogromnacht auch die Bad Neuenahrer Synagoge brannte. Wer löschen wollte, dem drohte ein SS-Mann mit Erschießung.

So ließen alle die Eimer fallen und sahen machtlos zu, wie die Synagoge in den Flammen verschwand. "Die Feuerwehr wollte sicher löschen, aber alle hatten ja wohl riesige Angst", sucht Christian Cramer nach einer Erklärung. Erich Elkan, einziger Überlebender aus diesem Haus, weilte bei der Verlegung erstmals wieder in Bad Neuenahr und war skeptisch. Nachdem Graff ihn Wochen später in Brüssel anrief, gab er sich erleichtert: "Jetzt hat meine Familie einen Platz."

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