Kneipensterben im Kreis Ahrweiler Der Letzte macht das Licht aus

OEDINGEN · In den Dörfern sterben die Kneipen. In Birresdorf, Oeverich, Niederich, Werthoven und Unkelbach gibt es längst keine Gaststätten mehr. Lediglich in Oedingen hielten noch die Breuers die Kölsch- und Pils-Bastion. 53 Jahre lang gab es die Kneipe.

 Die letzten Gläser werden von Margarete und Franz-Josef Breuer in Oedingen verstaut: Das Kneipensterben auf dem Land geht weiter.

Die letzten Gläser werden von Margarete und Franz-Josef Breuer in Oedingen verstaut: Das Kneipensterben auf dem Land geht weiter.

Foto: Martin Gausmann

Ein großer schwarzer Aschenbecher steht noch vor der Tür, Gläser sind noch hinter der Theke drapiert, Bierdeckel liegen noch auf den Tischen. Der Zapfhahn indes steht still. Margarete und Franz-Josef Breuer haben das letzte Fass Kölsch der Brauerei zurückgegeben, die Kneipe geschlossen. Die "Dorfschänke" in Oedingen ist zu. Für immer. Der Kneipentod auf dem Land hat den Höhenort nicht verschont.

In Birresdorf, Oeverich, Niederich, Werthoven und Unkelbach gibt es längst keine Gaststätten mehr. Lediglich in Oedingen hielten noch die Breuers die Kölsch- und Pils-Bastion. 53 Jahre lang gab es die Kneipe, in der Jagdgenossenschaft, die Rheinhöhen-Funken, Kaninchenzüchter, Karnevalisten und Kommunalpolitiker tagten, Handwerker und Rentner ihr Bierchen tranken, Angestellte und Beamte ihren Frust abluden.

Als die Dorfschänke 1961 von Heinrich Breuer, dem Vater von Franz-Josef, eröffnet wurde, da gab es noch zwei weitere, gut gehende Kneipen in Oedingen. In Dreierreihen standen die Freunde des Gerstensaftes an den Theken der drei Lokale, die einen Kommunikationsort und eine Plattform für geselliges Miteinander boten. Die Bierdeckel wiesen in der Regel stattliche Striche auf, was nicht zuletzt auch dem damals ungezügelten Schnaps- und Kornkonsum geschuldet war. Sonntagsabends kamen die Mitglieder des Fußballvereins, am Morgen kamen die älteren Dorfbewohner zum Frühschoppen. Die Umsätze liefen gut. Das ist längst Vergangenheit.

"Zuerst dachte ich, es liegt an mir, dass die Zahl der Gäste ab den 80er und 90er Jahren rückläufig war", so Margarete Breuer. Schnell merkte sie jedoch, dass vielmehr eine neue gesellschaftliche Entwicklung eingesetzt hatte. Thekenstehen und Frühschoppen waren out. Ein anderes Freizeitverhalten war angesagt, eine neue Vätergeneration wuchs heran. Spielten die älteren Herrschaften sonntags nach dem Hochamt noch Skat in der Kneipe oder knobelten an der Theke, so blieb die jüngere Generation lieber zu Hause und kümmerte sich um den eigenen Nachwuchs. "Die Älteren starben irgendwann, die Zugezogenen zog es nicht in die Gaststätten", sagt Margarete Breuer.

Das war dann an Kirmes oder Karneval noch anders. Da die Breuers einen "Gesellschaftsraum" hatten, konnte dort kräftig gefeiert werden. Franz-Josef Breuer: "Karneval gab es Gulasch, an Kirmes rheinischen Sauerbraten." Aber auch das hörte dann irgendwann auf. Dorfgemeinschaftshäuser lösten die kleinen Säle auf dem Land in ihrer Funktion ab.

Nicht Rauchverbot oder die regelmäßigen Bierpreiserhöhungen sorgten in den vergangenen 20 Jahren für einen Rückgang an trinkfester Kundschaft. "Da wurde zwei Tage lang gemeckert und gedroht, man werde nie wiederkommen. Danach war alles wieder gut", erinnert sich das Gastronomenehepaar, das im Dorf auch so etwas wie eine seelsorgerische Tätigkeit übernahm: "Die Leute luden ihren Kummer oft hier an der Theke ab."

Vielmehr sind es die vielen Veränderungen im gesellschaftlichen Leben, die alle Gaststätten auf dem Lande zu spüren bekamen. "Zugezogene sind am dörflichen Miteinander, an Gemeinschaft nicht interessiert", so Margarete Breuers Erfahrung. Statt Schnitzel in der Dorfschänke gab es bei den jungen Häuslebauern lieber aufgetaute Pizza aus dem heimischen Backofen. Außerdem: Die Angst vor einem Führerscheinentzug halte viele vom Gaststättenbesuch ab. Früher, so Franz-Josef Breuer, sei man auf diesem Gebiet sehr viel unsensibler gewesen.

Und die Jugend des Dorfes? "Die bevorzugt irgendwelche Szenekneipen in den größeren Städten", wissen die Breuers, die sich nun zur Ruhe setzen und schon bald in den Nachbarort ziehen werden.

Nach langen Krankheiten hat sich der 75-jährige Franz-Josef Breuer seinen Ruhestand verdient, seine 17 Jahre jüngere Frau hingegen hätte gerne noch eine Weile weitergemacht: "Wir schließen unsere Dorfschänke. Und das mit großer Wehmut. Aber die Entwicklungen können wir nicht ignorieren. Der Letzte macht das Licht aus."

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