Wirtschaft in Remagen Der Orgelbauer aus Remagen

REMAGEN · Besuch beim Orgelbauer Siegfried Merten. Der Herr über 2362 Pfeifen bringt Kirchenschiffe zum Schwingen. Schon als kleiner Junge war er von den den Instrumenten fasziniert.

 Siegfried Merten spielt nicht nur Orgel – er baut sie auch.

Siegfried Merten spielt nicht nur Orgel – er baut sie auch.

Foto: Martin Gausmann

„Die Orgel ist ohne Zweifel das größte, das kühnste und das herrlichste aller von menschlichem Geist erschaffenen Instrumente. Sie ist ein ganzes Orchester, von dem eine geschickte Hand alles verlangen, auf dem sie alles ausführen kann“, befand einst der französische Schriftsteller Honoré de Balzac (1799-1850).

Siegfried Merten aus Remagen sieht das nicht anders. Der 61-Jährige hat sich bereits als Kind für die gewaltigen Musikinstrumente interessiert. „Ich wollte wissen, wie so eine Orgel funktioniert“, berichtete er beim jüngsten Unternehmerstammtisch, zu dem er Remagens Bürgermeister Herbert Georgi und Wirtschaftsförderer Marc Bors eingeladen hatte. Inzwischen weiß es Merten ganz genau: Er ist Orgelbauer. Längst hat er sich mit seiner Baukunst weit über die Grenzen hinaus einen vorzüglichen Namen gemacht.

Labialpfeifen, Lingualpfeifen - So ist die Orgel aufgebaut

Als Orgelbauer muss man nicht Organist sein, so der Remagener, der mit seiner Manufaktur in den 90er Jahren zunächst in Gelsdorf startete, dann expandierte und ins Gewerbegebiet der Römerstadt zog. „Wichtig ist vielmehr ein gutes Gehör“, pflegt der Orgelbauer zu sagen. Schließlich müssen unterschiedliche Frequenzen blitzsauber wahrgenommen werden.

Der Klang der Orgel wird durch Pfeifen erzeugt, die durch einen „Orgelwind“ genannten Luftstrom angeblasen werden. Je nach Anzahl der Register werden mehr als 2300 Pfeifen (bei 35 Register exakt 2362) in eine Orgel eingebaut. Zwischen fünf Millimeter und fünf Meter sind diese Pfeifen groß. Die meisten Orgeln enthalten mehrheitlich Labialpfeifen, bei denen die Luftsäule im Innern durch Anblasen eines Labiums zum Schwingen gebracht und damit der Ton erzeugt wird. Sie werden durch Lingualpfeifen ergänzt, bei denen die Tonerzeugung durch ein schwingendes Zungenblatt erfolgt. Ob legato oder staccato wird über Ventile bestimmt.

Großes Traditionsbewusstsein und viel Feingefühl

Derzeit arbeitet Mertens Werkstatt an einer Orgel, die für das Gotteshaus Sankt Margareta in Neunkirchen-Seelscheid bestimmt ist. Aus Birmingham wurde eine ausgediente Orgel beschafft, die dort 1926 gebaut wurde und in die Orgelnische der neugotischen Kirche in Neunkirchen-Seelscheid passt.

Aus Holland wurde eine schmucke und reich verzierte, fast sieben Meter hohe „Fassade“ – eine Art Verkleidung – aus dem Jahre 1912 besorgt, hinter der sich das Instrument verbirgt. Im Advent, so hofft Merten, wird die Orgel in das Gotteshaus eingebaut werden können. Gut und gerne 500 000 Euro muss die Gemeinde Sankt Margareta für das hochkomplexe Musikinstrument bezahlen, das die Gottesdienste musikalisch begleiten soll.

Als Kind lernte Siegfried Merten das Klavierspiel. Dann wurde in der Kirche seiner Heimatgemeinde eine neue Orgel eingebaut. Fasziniert schaute der damals Zehnjährige zu, wie aus Tasten und Pfeifen, Windlage und Windwerk ein Instrument geschaffen wurde, das in seinen Klangfarben seinesgleichen sucht. „Ich durfte selbst einmal drauf spielen“, erinnert sich Mertens. Dann stand sein Berufswunsch fest.

Ein gewisses musikalisches Verständnis ist von Nöten

In Opladen absolvierte er eine Ausbildung zum Orgelbauer, danach wechselte er nach Bonn, um sich schließlich als Meister 1995 selbstständig zu machen. In einem alten Obsthof in Gelsdorf baute er seine erste eigene Orgel, schnell wurde die Werkstatt dank guter Auftragslage zu klein. Seit 2002 geht Merten mit seinen zwei Meistern, drei Gesellen und einer Auszubildenden seinem Metier in Remagen nach.

In einer zweigeschossigen Halle pflegt er Tradition, gepaart mit viel Feingefühl, das vor allem dann von Nöten ist, wenn es um Fußtonzahlen, Quinten und Terzen geht und die Pfeifen auf einen bestimmten Klang abgestimmt werden müssen. „Ein gewisses musikalisches Verständnis sollte man schon haben“, meint Merten schmunzelnd.

Mehr als ein Jahr kann es dauern, eine Kirchenorgel zu bauen. Komplette Neubauten sind rar, schließlich gibt es ja auch kaum neue Kirchen. Das Hauptgeschäft liegt also in den Generalsanierungen oder im Ab- und Wiederaufbau von zum Teil Jahrhunderte alter Orgeln. Die einzelnen Pfeifen zu stimmen ist sehr zeitaufwendig. Die Orgel im Kölner Dom darf beispielsweise nur nachts gestimmt werden. Das erstreckt sich über mehr als eine Woche.

Orgelbau steht im Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes

Der Orgelbau wurde übrigens als eine von 27 Kulturformen und Handwerkstechniken in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen. Klar, dass Mertens stolz darauf ist.

„Die Orgel wird seit Alters her und zu Recht als die Königin der Instrumente bezeichnet, weil sie alle Töne der Schöpfung aufnimmt und die Fülle des menschlichen Empfindens zum Schwingen bringt“, hatte Papst Benedikt einst gesagt. Dem hat Mertens nichts hinzuzufügen.

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