Brüllen als Unterhaltungsform Gernot Hassknecht rechnet lautstark mit der Welt ab

REMAGEN · Sie würden sich anschreien lassen. Das war wohl jedem der rund 600 Zuschauer klar, als er sich auf den Weg in die Remagener Rheinhalle gemacht hatte. Schließlich stand Gernot Hassknecht auf dem Programm. Jene Kunstfigur also, als die der Schauspieler Hans-Joachim Heist regelmäßig in der "Heute-Show" im Fernsehen den allzeit wetternden Wutbürger mimt. Brüllen hat er zu Unterhaltungsform erhoben.

Auf diesen Hassknecht brauchte das Publikum dank Einspieler auf der Leinwand im Zentrum der Bühne nicht zu verzichten. Nur wenig gesitteter gab sich Heist alias Hassknecht live davor. Zwischen Tisch und Rednerpult, an dem er sich mit Beschwerdebriefen auf Temperatur zu halten suchte, lief er in Krawatte und Anzug aufgeregt hin und her, ballte die Fäuste, lachte hysterisch und riss vor allem mit verzerrtem Gesicht den Mund auf, um scheinbar ungefiltert Beleidigungen und Kraftausdrücke loszuwerden. Zielscheibe waren Promis und Politiker. "Ich würde einem Politiker noch nicht mal die Aufsicht über den Neubau eines Fahrradständers geben. Der wird ja nie fertig.

Und wenn doch, sind die Schlitze zu schmal für die Reifen und es kostet acht Millionen Euro", echauffierte er sich nach Hinweisen auf den Berliner Flughafen und den Stuttgarter Bahnhof. Mit einem Foto von Willy Brandt zog er Parallelen zwischen der Guillaume-Affäre und jüngeren Abhörskandalen im Kanzleramt. Der Unterschied: Brandt habe die Verantwortung für das Versagen seiner Mitarbeiter übernommen. Und Merkel? "Die Frau wird über zehn Jahre abgehört und keiner fliegt raus." Wieder hätte sich manch einer der Zuhörer in der Rheinhalle wohl Ohrstöpsel gewünscht. Neben Merkel, die Hassknecht als "sprechenden Hosenanzug" titulierte und dem "blonden Küstennebel" Manuela Schwesig brachten ihn viele nicht mehr ganz so aktuelle Politiker und Promis von Peter Graf bis Alice Schwarzer, Klaus Zumwinkel und Christina Schröder zum Explodieren.

Steuerhinterziehung, Mobilität, Fitnesswahn, Frauenquote und die Familie boten Hassknecht Anlass für Gebrüll. Schließlich war seine Vermittlungsabsicht laut Programm: "In zwölf Schritten zum Choleriker". Dieser Weg führte zudem über die Beschwerdebriefe an Adam und Eva, an seinen Bankberater und an die USA, über alltägliche Aufreger von Rhabarberschorle über die IBAN ("ein zwei Meter langes Sudoku") bis zu Laufbändern in Fitnessstudios: "Drinnen dafür zu bezahlen, dass man einem Fernseher hinterrennt wie ein Esel der Möhre anstatt draußen umsonst zu joggen? Das machen nur Idioten und meine Frau Renate, aber da gibt es eine Schnittmenge."

An Chauvi-Sprüchen kam Hassknecht nicht vorbei. Dafür umso lieber an sportlichen Betätigungen: "Schlanke rennen 50 Jahre durch den Wald, nur um am Ende in einen kleineren Sarg zu passen. Ich dagegen will ein Festmahl für die Würmer sein. Die werden einen Feiertag nach mir benennen." Dennoch stellte er einen Touchscreen-Tanz, wie ihn Fernsehmoderatoren angeblich beim Aufzeigen von Statistiken vollführen, nach - und reagierte sich doch nur wenig ab.

Am Ende hatte Hassknecht sein Ziel verfehlt. Keiner im Publikum war in zwölf Schritten zum Choleriker geworden. Bei den meisten riefen seine Ausraster zwar zunächst noch Amüsement hervor. Nachdem man beim Brülltraining zu Beginn noch willig mitgemacht hatte, riefen die reihenweise Ausraster danach bei manchen nicht mehr als ein mittlerweile ermüdetes Lächeln hervor. Als dank für ihre Aufmerksamkeit versprach Hassknecht am Ende auch noch: "Gleich gebe ich draußen Autogramme und brülle sie dabei an." Darauf konnten dann wohl fast alle verzichten.