Apollinariskirche in Remagen Heiliges und Unheiliges vom Berg

REMAGEN · Die neugotische Apollinariskirche bekrönt einen Ort jahrhundertelanger sakraler Nutzung. Dort, wo vier schlanke Kirchentürme ihre Kreuzblumen gen Himmel recken, existierte wohl schon eine römische Kultstätte.

 Vier schlanke Türme sind das Markenzeichen der Remagener Apollinariskirche.

Vier schlanke Türme sind das Markenzeichen der Remagener Apollinariskirche.

Foto: Martin Gausmann

"Unter dem vielem Schönen, das der Rheinstrom mit seinen Silberfluten säumt, ein Juwel, das jedes Auge entzückt - das ist der Apollinarisberg", schrieb Franziskanerpater Athanasius Bierbaum 1907 und hatte dabei speziell den "Apollinarisdom, eine der schönsten, kostbarsten und sehenswürdigsten modernen Kunstschöpfungen der Rheinlande" im Blick.

Dort, wo vier schlanke Kirchentürme ihre Kreuzblumen gen Himmel recken, existierte wohl schon eine römische Kultstätte. Darauf verweist der Fund eines dem Jupiter, Mars, Herkules und Merkurius geweihten Altars aus dem 2. Jahrhundert. Wesentlicher aber war für Bierbaum: "Dem entnervten Heidentum folgte das lebensspendende Christentum auf dem Fuße nach."

Jedenfalls krönte spätestens seit dem 9. Jahrhundert eine St. Martins-Kirche die damals Martinsberg genannte Anhöhe. Weil die Remagener darauf gedrängt hatten, errichtete 1110 die Siegburger Benediktiner Abtei daneben eine Propstei.

Die Überreste des Heiligen Apollinaris aber strebten, der Legende nach, von ganz alleine dem Ort zu. Am 23. Juli 1164 soll Erzbischof Reinald von Dassel, von Kaiser Friedrich I. mit Reliquien der Heiligen Drei Könige und des Apollinaris beschenkt, auf dem Weg von Mailand nach Köln bei Remagen nicht mehr weitergekommen sein. Das Schiff fuhr erst wieder, als die Überreste des Apollinaris bei der Martinskirche blieben. Th. Pauli ersann 1474 diese Geschichte. Urkundlich belegt ist die Verehrung des Heiligen indes erstmals 1295.

Doch nicht nur frommes Gebaren verbindet sich mit dem Apollinarisberg. Heute kaum nachvollziehbar, waren Reliquien im Mittelalter wegen der ihnen zugeschriebenen Wunderwirkung und, weil sie sich in Ablassjahre umrechnen ließen, begehrter als Gold und Juwelen.

Wer sie besaß, konnte über immaterielle Gunst hinaus handfeste Vorteile, nämlich Spenden aus den Wallfahrtsströmen, Aufwertung von Standorten und Renommee einheimsen. Nur so ist jenes unheilige Gezerre zu erklären, das sich um die Apollinaris-Gebeine entspannen sollte. 1383 raubte Herzog Wilhelm I. von Berg große Teile davon und überführte sie nach Düsseldorf in seine neue Residenz.

Was in Remagen verblieben war, forderte die Mutterabtei Siegburg ein, während der wertvollste Gnadenschatz, das Haupt, vorsorglich auf der Burg Landskron gesichert worden war. 1394 kehrte es zurück auf den Apollinarisberg. Als 1793 Gefahr von den französischen Truppen drohte, brachte man es nach Siegburg und 1812 nach Düsseldorf, von wo es am 25. Januar 1826 in die Remagener Pfarrkirche kam.

Dieser Tag wird bis heute festlich begangen. Selbst in der Zeit ohne die Hauptreliquie fand die Wallfahrt weiter statt. Enormen Aufschwung aber erfuhr sie mit der Weihe der neuen Apollinariskirche und der Übernahme des Klosters durch die Franziskaner am 24. März 1857 sowie der Rückführung des Hauptes von der Pfarrkirche auf den Apollinarisberg vier Monate darauf.

Im Zuge der Säkularisation hatte der französische Staat Kirche und Propstei 1802 aufgehoben. Als Freiherr Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim nach den Brüdern Sulpiz und Melchior Boisserée 1836 das Anwesen erwarb, plante er, die Wallfahrt zu beleben. Die baufällige Kirche ließ er abreißen und vom Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner ein neugotisches Gotteshaus mit extra vielen Flächen für Wandgemälde erbauen. Es entstand eine eigenwillige Architektur, die zwar das "Himmelstrebende" gotischer Kathedralen verfolgt, nicht aber deren Wandauflösung zugunsten von Fenstern.

In der 1842 fertiggestellten Kirche realisierten 1843 bis 1852 Friedrich Wilhelm Schadow, Leiter der Düsseldorfer Malerakademie, und seine Schüler Ernst Deger, Andreas Müller, Carl Müller und Franz Ittenbach die umfassende Freskenmalerei von 69 Bildern mit rund 580 Figuren zum Leben Jesu, Mariens und des heiligen Apollinaris. Schon die aufwendig sanierte Ausmalung macht die Kirche zum Gesamtkunstwerk, ungeachtet der originalen Bänke, Altar, Kanzel, Beichtstühle, gusseisernen Gitter und der eindrucksvollen Architektur des Gotteshauses.

Lebendig wird ein Bau aus Steinen allein durch die Menschen. Kaiser und Könige, auch der spätere Papst Pius XII besuchten die Kirche. Über eine halbe Million Menschen zieht die Wallfahrt aktuell jeden Sommer nach Remagen. Umso betrüblicher die Tatsache, dass die Franziskaner nach 150 Jahren den Kraftort jahrhundertelanger Verehrung 2006 verließen. Um die Zukunft von Kirche und Wallfahrt zu sichern, übereignete Freiherr von Fürstenberg das denkmalgeschützte Gotteshaus der "Stiftung Wallfahrtskirche". Spiritualität zog wieder ein, als 2007 der Trierer Bischof das Kloster und die Seelsorge der "Gemeinschaft der gekreuzigten und auferstandenen Liebe" anvertraute.

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