Neue Publikation des Rathausvereins erschienen So tankten Autofahrer in Oberwinter früher

Oberwinter · Hans Atzler hat wieder im Bildarchiv des Rathausvereins gestöbert und ist dabei auf alte Tankstellen im Ort gestoßen. Nun legt er seine Veröffentlichung vor. Der Titel: „...bitte volltanken!“.

Tankstelle zum freundlichen Herrn, möglicherweise mit Murmann Senior und seinen Söhne Robert und Erich. Sie wurden nach dem bekannten Film scherzhaft „Die Drei von der Tankstelle“ genannt.

Tankstelle zum freundlichen Herrn, möglicherweise mit Murmann Senior und seinen Söhne Robert und Erich. Sie wurden nach dem bekannten Film scherzhaft „Die Drei von der Tankstelle“ genannt.

Foto: Rathausverein

Wie gut, dass der Rathausverein über ein Bildarchiv verfügt, das sich immer wieder neu erkunden lässt. Das stellte jetzt erneut das Vereinsmitglied Hans Atzler beim Durchforsten historischer Dokumente und fast vergessener Fotografien fest. Abbildungen von Oldtimern und heute unbekannte Treibstoff-Bezeichnungen wie „OLEX“ oder „Dapolin“ warfen Fragen auf: „Wann und wo wurden bei uns die ersten Zapfsäulen aufgestellt? Und warum sind so viele Tankstellen wieder verschwunden?“ Die ermittelten Fakten packte Atzler in das neue Heft 14 der Schriftenreihe des Rathausvereins „...bitte volltanken – Tankstellen in Oberwinter und Rolandseck“.

Als Bertha Benz 1888 heimlich mit den Söhnen eine rund 100 Kilometer lange Probefahrt im „Benz-Patent-Motorwagen Modell 3“ ihres Mannes Carl Benz von Mannheim nach Pforzheim unternahm, hatte sie nicht genug Kraftstoff. In der Stadt-Apotheke in Wiesloch erwarb sie zusätzliche Liter Ligroin (Waschbenzin) und adelte so die Apotheke zur ersten „Autotankstelle“ der Welt.

Per Handpumpe füllte man anfangs aus Fässern Waschbenzin, Petroleum, später Benzin in Flaschen, Milchkannen und Kanister, um die Autos zu betanken. Um 1920 gab es im Deutschen Reich rund 10.000 einfache Zapfstellen vor Gasthöfen, Werkstätten oder Drogerien auf dem Bürgersteig. Bald hatte auch Deutschland seine ersten „Tankhäuschen“ mit Erdtanks, eine Erfindung aus Amerika.

Vorreiter in der Region war der „Dapolin-Dienst“ in der Hauptstraße

Nach diesem Einstieg beleuchtet Atzler, den das Thema fasziniert, die lokalen Verhältnisse. Autos konnten sich zunächst nur wenige Vermögende leisten. Die ersten Automobil-Besitzer der Gegend waren wohl Max von Guilleaume, Herr auf Calmuth, der um 1900 einen elektrisch angetriebenen „Lohner-Porsche“ erwarb sowie Arnold und Ella Guilleaume, die 1907 einen Mercedes kauften, „um den Pferden den steilen Weg zum Schloss (Ernich) zu ersparen“.

Um 1923, als es in Oberwinter nur zwei Automobil-Besitzer gab, eröffnete Heinrich Schmitz vor seinem Rauchwaren-Lädchen in der Hauptstraße 56 (heute Haus Seibel) einen „Dapolin Dienst“. Aus Kannen vertrieb er den amerikanischen Dapolin-Kraftstoff, ab 1931 „Standard Oel“ genannt, später „Esso“. Ein paar Jahre darauf gab es dort Zapfsäulen, auch eine Überdachung gesellte sich hinzu. Die Kundenbindung damals: LKW-Fahrer, die viel Sprit tankten, „sollen in der Küche des Hauses immer ein Gläschen Sekt bekommen haben“.

Als die durch Oberwinter laufende Reichsstraße 9 im Jahr 1936 um den Ort geführt wurde, zog die Tankstelle Schmitz auf das Grundstück Hauptstraße 1, die in die neue Umgehung mündete, also wieder am Durchgangsverkehr teilhaben ließ. Dennoch ernährte die Tankstelle allein die Familie nicht, so dass nach 1960 zusätzlich das Café „Hänsel und Gretel“ errichtet wurde. Der Schriftzug ist noch zu sehen, doch praktiziert dort heute ein Tierarzt. Der Tankbetrieb lief bis 1978.

Vermutlich ebenfalls schon in den frühen 1920ern machte Robert Murmann Senior seine „Großtankstelle“ in Rolandseck an der Reichsstraße 9 auf. Offenbar sah er goldene Zeiten kommen, denn die Zapfsäulen standen zunächst auf beiden Straßenseiten. 1936 erweiterte er die Tankstelle auf der Straßenseite zum Hang, wo er einen Fachwerkbau im damals angesagten „Heimatstil“ errichtete, der sich der Landschaftseinbindung verpflichtet sah. Danach übernahmen die Söhne Robert und Erich Murmann.

So tankten Autofahrer in früheren Zeiten
6 Bilder

Alte Tankstellen in Oberwinter

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Eine Besonderheit war und ist bis heute der gewiss zugkräftige Name „Zum freundlichen Herrn“. Die freundlichen Herren standen seinerzeit als proper weiß bekleidete Tankwarte vor den Zapfsäulen, die Hand zum Gruß an die Schirmmütze gelegt. Diesel in den Tank gab es von Schell, Benzin von der Firma Olex-BP.

Was für ein Name: Tankstelle „Zum freundlichen Herrn“

Ein 24-Stundenservice, Parkplätze und ein durchgehend geöffneter Gasthof machten die Tanke besonders für Fernfahrer attraktiv. In den 1960ern - die Zapfanlagen zum Rhein waren schon lange zurückgebaut - kauften die Eheleute Linden erst eine Hälfte und schließlich den ganzen Betrieb samt „Fahrerklause“ und Wohnhaus. Hinzu kam Lindens Speditionsbetrieb. Als in den 1970ern die B 9 für den LKW-Durchgangsverkehr gesperrt wurde, bedeutete das für die Tankstelle ein Schlag ins Kontor. Aber ihre Betreiber gingen mit Waschanlage und Umbauten immer mit der Zeit.

Nicht allen gelang das. So war das Tankangebot beim „Gasthaus zum Bahnhof“ in Oberwinter von kurzer Dauer. Die Verlegung der Reichsstraße machte ihm wohl den Garaus. Peter Clausen aber, der seiner Schmiede und Schlosserei in der Hauptstraße 125 eine Autowerkstatt und zwei Zapfsäulen hinzufügte, schaffte den „Sprung“ auf die neue Durchgangsstraße, ebenso wie Johannes Frensch, dessen „Rheinblick-Tankstelle“ Am Unkelstein sich bis 1988 hielt. Was blieb von den vielen Kraftstoffstationen sind die JET-Tankstelle und der STAR-Betrieb „Zum freundlichen Herrn“.

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