„Durchgeknallte Pädagogen“ Kabarett in Remagen begeistert Zuschauer

REMAGEN · Das Programm „Stunk unplugged“ überzeugt 600 Zuschauer mit Kabarett in der Remagener Rheinhalle.

 "Durchgeknallte Pädagogen" im "Lehrerzimmer" auf der Bühne der Rheinhalle.

"Durchgeknallte Pädagogen" im "Lehrerzimmer" auf der Bühne der Rheinhalle.

Foto: Martin Gausmann

Es wirkte aktuell wie nie, ist aber eigentlich schon eine alte Nummer: Das jüngste Stück „Verloren“ zur Melodie von Dean Martins „Amore“, mit dem das Ensemble von „stunk unplugged“ den nunmehr besiegelten Abstieg des 1. FC Köln aus der ersten Fußballbundesliga in der Remagener Rheinhalle thematisierte. Kollektives Bedauern gab es nicht nur da beim Gastspiel von zwölf Mitgliedern der Kölner Stunksitzung, die seit einigen Jahren jenseits der Stunksitzungszeit in der Domstadt auch um diese herum touren.

Kollektives Bedauern gab es auch für den verstummten Single, der sich nur über Emojis mit seiner Therapeutin unterhalten konnte. Die Sofa-Stunde wurde aber parallel zum heiteren Ratespiel für die Zuschauer, die die auf Leinwand angezeigten Symbole mitdeuteten. TV, Fußball, Bier deuteten ohne Zweifel auf einen perfekten Abend für einen Mann hin, Duschkopf, Frau und Messer auf den Hitchcock-Thriller „Psycho“. Kein Pardon hatte das Publikum indes für Donald Trump, der sich nach der Anreise mit „Hair Force One“ mal wieder als Trampeltier gab.

Trump und Erdogan im Visier

„Warum feiern wir eigentlich nur einmal im Jahr Weihnachten, wo doch jeden Tag jemand geboren wird, der sich für Gott hält?“, fragte Moderatorin Biggi Wanninger, auch Präsidentin der Stunksitzung. Ein Fall für das „Hänneschen Welttheater“, bei dem neben Trump auch Erdogan als die „Lichtgestalt vom Bosporus“ und Putin als ausgestopfter Kraftprotz wie eine Stockpuppe über die Bühne hüpften: „Wenn ich ein Ei essen will, pelle ich mir ein Huhn“. „Mir sin zwar jeck, aber nicht beklopp“, kommentierte das selbst ernannte „Dreckige Dutzend“, das durchaus auch mal frech oder gar bissig wurde. „Jeder Jeck is anders, aber doch net anders als hier“ war eine weitere Philosophie. Um Toleranz und auch um Brauchtum ging es vielfach. Genauso wie um Beziehungsfrust, Wählerunlust, Verkehrsinfarkt, Dieselskandal oder die Lage der Bundeswehr.

Parteien-Schelte gab es von „Gollum aus dem Siebengebirge“, der nach der Bundestagswahl noch immer in einer Wahlkabine saß und nicht wusste, wo er sein Kreuzchen machen sollte. Die Digitalisierung 4.0 wurde beispielhaft durchexerziert an einem Hochzeitspaar, das Einlass in eine vernetzte Wohnung sucht, aber von der Tür, die Gesicht und Gewicht erkennt, schon am Tragen über die Schwelle gehindert wird.

Millimeterpapier dient zur Verschleierung

Das Programm war noch keine zehn Minuten alt, da hatten die Akteure ihr Publikum schon ganz für sich eingenommen. Grund war eine Religionsdiskussion im Lehrerzimmer, wo alle Arten von Gläubigen zusammenfanden: vom „Alaafist“, also einem „Fastelovendsjeck“ bis zum Burkaträger, wobei die durchgeknallten Pädagogen selbst dem gitterartigen Sichtfenster der Gesichtsverschleierung durchaus noch was Positives abgewannen: „Da hat man das Millimeterpapier im Matheunterricht gleich dabei“.

Zwischen Fußball, Kabarett und Karneval bewegte sich, was das Ensemble auf die Bühne brachte: gespickt mit Herz, Hirn und haufenweise Humor. Natürlich gehörte dazu zudem kölsches Kolorit, ohne das es auch bei einer alternativen Sitzung im Kölner Karneval nicht geht. Neben Sketchen und Parodien punktete „stunk unplugged“ auch mit Livemusik: mit Thermomix-Hymne, „Unisex aus Goretex“-Song und der klagenden Rockballade eines Bonbons à la Bon Jovis „Bed of roses“: „Zerquetscht am Rosenmontag. Alle rufen Kamelle, doch keiner will mich haben“. Um die Problematik noch tauglicher Karnevalsschlager ging es auch, als „Freddys Karnevalsband“ Jupp Schmitz’ Klassiker „Wir kommen alle in den Himmel“ als „Hymne der Selbstmordattentäter“ und Höhner-Hit „Ich ben ene Räuber“ als das Lied der Antänzer vom Hauptbahnhof aussortieren musste: Aber „Superjeilezick“ ging und fast 600 Besucher in der Rheinhalle sangen mit. Ein Beweis, dass „Stimmung bleibt“. Das war im Übrigen auch der Titel des Programms.

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