Veränderungen in der Ahr-Region RheinAhrCampus in Remagen entwickelt Vorschläge für Hochwasserschutz
Remagen · Am RheinAhrCampus in Remagen wird heute für den Alltag von morgen geforscht. Wissenschaftler tüfteln an Wegen, wie Ahr-Kommunen gegen Überflutungen künftig besser gerüstet sind - und wie die Arbeit sicherer und physiologisch leichter wird.
Vom Wiederaufbau in der Ahr-Region über den Schutz vor Stürzen durchs Stolpern bis hin zur Erleichterung der Arbeit bei der Montage von Flugzeugen: Wissenschaftler der Hochschule Koblenz forschen am RheinAhrCampus in Remagen daran, das Leben der Menschen in verschiedenen Bereichen in Zukunft sicherer und gesünder zu machen.
Clemens Hoch (SPD), Wissenschaftsminister von Rheinland-Pfalz, hat sich am Montag bei einem Campusbesuch im Rahmen seiner Sommertour einen Einblick geben lassen, woran zurzeit gearbeitet wird.
Mit der Frage, was sich in der Ahr-Region verändern muss, um so verheerende Flutfolgen wie im Juli 2021 zu vermeiden, beschäftigen sich Studenten des Studiengangs Integrierte Orts- und Sozialraumentwicklung, in dem Architektur und Städtebau, Sozialwissenschaften und Bauingenieurwesen miteinander verbunden sind.
Studenten befassen sich mit Hochwasserschutz
Die Studierenden sind mit Blick auf alte Karten und die Entwicklung der Besiedlung an der Ahr zum Beispiel zur Erkenntnis gekommen, dass die Ortskerne früher teilweise flussferner angelegt wurden. Mit zunehmender Besiedlung seien die Häuser aber immer näher ans Wasser gerückt. Die Untersuchungen der Studierenden zeigen aber auch, dass es durchaus noch alternative Flächen gibt, die bebaut werden könnten und im Falle eines weiteren Hochwassers weniger oder gar nicht betroffen wären. „Sportplätze könnten in Flussnähe entstehen. Man gibt, wenn es nötig wird, dem Wasser Raum und nutzt die Fläche gleichzeitig“, beschreibt Student Jonas Weck, wie Flächen multifunktional gedacht werden können.
Häuser mit einem unteren Geschoss zu bauen, das von Wasser durchflossen werden kann, Straßen schmäler, dafür aber mit Ablaufgräben anzulegen und Alternativen zum Asphalt zu suchen, sind weitere Ansätze der Studenten der Hochschule Koblenz.
„Wir brauchen innovative Lösungen, denn das, was im Ahrtal passiert ist, kann jederzeit wieder passieren“, sagt Ulrike Kirchner, Geschäftsführerin des Kompetenznetzwerkes „Wissenschaft für den Wiederaufbau“ (WdfW), das auf Initiative von der Hochschule Koblenz und des Wissenschaftsministeriums Rheinland-Pfalz kurz nach der Flut im Vorjahr gegründet wurde.
Die Expertise und Forschungen weiterer Hochschulen, darunter der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, zur Krisenfolgenbewältigung und zu nachhaltigem Wiederaufbau im Ahrtal werden im WdfW gebündelt und den Kommunen zugänglich gemacht. Ende des Monats etwa sollen die Ergebnisse in den Ahr-Kommunen vorgestellt werden.
Forschung in Remagen könnte Arbeit bei Airbus erleichtern
Doch nicht nur der Schutz vor und ein angepasster Umgang mit Hochwasser, sondern auch der Schutz der menschlichen Gesundheit beschäftigt Studenten am RheinAhrCampus. So ist das „Labor für Ergonomie und Virtuelle Realität“ eine weitere Station beim Besuch von Minister Hoch. Dort wird etwa erforscht, wie die Arbeit mithilfe von Virtual-Reality-Brillen (VR-Brillen) vereinfacht werden kann, um auch körperliche Auswirkungen wie Nackenschmerzen zu reduzieren.
Etwa, indem beim Zusammenbau von Werkstücken die Bauanleitung über der Brille eingeblendet wird. Das Hochstarren auf einen Monitor würde wegfallen, hat man die nötigen Informationen doch direkt vor den Augen. Zudem könnten Arbeitsanleitungen per Datenbrille das Einarbeiten neuer Mitarbeiter erleichtern. „Die Fluktuation ist ja in vielen Arbeitsbereichen hoch. Die neuen Mitarbeiter müssten nur die Brille aufsetzen, und los geht es“, sagt Daniel Friemert, Mitarbeiter des Fachbereichs Mathematik und Technik.
Im Labor vom Fachbereich „Labor für Sportmedizinische Technik“ geht es ebenfalls darum, Arbeit zu erleichtern, und die Belastung von Gelenken und Muskeln zu reduzieren. Für Flugzeughersteller Airbus erforscht Doktorand Mirko Kaufmann, ob und wie sogenannte Exoskelette beim Schrauben und Arbeiten mit den Armen über Kopf die Schultern entlasten können. Wie ein Rucksack wird das mechanische Gerät angelegt, die Arme werden in ein Halbrund gelegt, an dem eine Art Greifarm ansetzt, der mit dem Rückenteil verbunden ist.
Bei jeder Bewegung nach oben gibt es einen kleinen Schub, der Muskeln und Gelenke unterstützt. Sensoren erfassen beim Test mit Probanden den Ermüdungsgrad der Muskeln. „Demnächst beginnen wir eine Langzeitstudie“, so Kaufmann. Sechs Monate wird die Arbeit dann mit dem Exoskelett bei Airbus in Bremen getestet. Fallen die Ergebnisse positiv aus, könnten die Exoskelette künftig Standard in der Montage bei Airbus werden.
Um die Gesundheit von Arbeitern geht es auch bei der Forschung von Doktorandin Anika Weber. „Jeder fünfte Arbeitsunfall ist ein Stolper-, Rutsch- oder Sturzunfall“, sagt sie und versucht herauszufinden, ob ein Training in der virtuellen Realität, bei dem Hindernisse überstiegen werden müssen, helfen, das Risiko im Alltag zu reduzieren.
Partner für die Forschung ist die Deutsche Post. Zeigt sich, dass das Training hilft, ist es sehr wahrscheinlich, dass es künftig für Mitarbeiter dann erstmal mit der VR-Brille aufs Laufband geht, um für alle Stolperfallen gut gerüstet zu sein.