"Ahrweiler Tafel" Seelsorger und "Tafel"-Mitarbeiter diskutieren über Zukunft privater Hilfsinitiativen

KREIS AHRWEILER · Sie sind zurzeit unverzichtbar, müssen aber überflüssig werden. Darin waren sich die Beteiligten einig. Bei einem Austausch zwischen Seelsorgern des Dekanats Remagen-Brohltal sowie ehrenamtlichen "Tafel"-Mitarbeitern und der Steuerungsgruppe "Tafel" ging es um die Tafeln in Deutschland und die "Ahrweiler Tafel" im Besonderen. Private Hilfsinitiativen linderten die Not, beseitigten jedoch nicht die Armut, war der Tenor der Veranstaltung.

 Die Verteilung von Lebensmitteln ist Hauptaufgabe der Tafel.

Die Verteilung von Lebensmitteln ist Hauptaufgabe der Tafel.

Foto: dpa

Bei dem Gespräch wurde deutlich, dass die Arbeit der Tafeln heute von größerer gesellschaftlicher Bedeutung als je zuvor sei, denn auch im Kreis Ahrweiler könnten zahlreiche Menschen von ihrem Einkommen oder unzureichenden staatlichen Minimalleistungen kaum noch leben. Für sie seien die Angebote der "Ahrweiler Tafel" oft die letzte Möglichkeit, irgendwie über die Runden zu kommen.

Zugleich stellten die Akteure fest, dass die einst als Nothilfe gedachte Tafelidee einen schleichenden Wandel erfahren habe. Die Tafel sei im Laufe der Zeit vielerorts zur Selbstverständlichkeit und zu einem umfassenden Zweitversorgungssystem geworden. Politik, Wirtschaft, Unterstützer, Mitarbeiter und selbst die Kunden der Tafel könnten sich eine Gesellschaft ohne die Hilfseinrichtungen kaum noch vorstellen.

Die Tafeln seien bundesweit so sehr Bestandteil des Alltags geworden, dass manche Kinder den Einkauf von Lebensmitteln automatisch mit der Tafel verbinden und so an ihre Benachteiligung in der Gesellschaft gewöhnt werden. Seit der Gründung der ersten deutschen Tafel, ursprünglich einer Nothilfe für Obdachlose, vor 20 Jahren in Berlin seien bundesweit mehr als 900 im Dachverband Deutsche Tafel zusammengeschlossene Einrichtungen mit mehr als 3.000 Ausgabestellen entstanden, die hauptsächlich Lebensmittel sammelten und kostenlos oder gegen geringes Entgelt an Menschen mit niedrigem Einkommen abgäben.

Rund 50.000 ehrenamtliche Helfer sammelten jährlich etwa 100.000 Tonnen Lebensmittel und verteilen sie an 1,5 Millionen Bedürftige, davon ein Drittel Kinder und Jugendliche. Die alleinige Konzentration vieler Tafeln, Lebensmittel zu verteilen, lindere indes nur die Symptome, bekämpfe aber nicht die Ursache der Armut.

Alle Teilnehmer der Gesprächsrunde waren sich einig, dass der Weg der Tafel in Ahrweiler nur über die untrennbare Kombination von Lebensmittelausgabe und nachhaltigen Angeboten führen könne. Die in einem veränderten Sozialstaat, ohne ausreichende Grundsicherung und armutsfeste Löhne entstandenen Lücken würden mit der Lebensmittelausgabe nur notdürftig gestopft. Freiwilligensysteme seien keine Garantie für ein menschenwürdiges Leben.

Die Politik dürfe sich nicht hinter Erfolgsmeldungen privater Hilfsangebote verstecken und müsse mehr Verantwortung übernehmen für die Daseinsfürsorge und das Ermöglichen sozialer und kultureller Teilhabe. Das wichtigste Ziel bleibe, gerechte Verhältnisse für alle Menschen zu schaffen und Sozialpolitik so zu gestalten, dass es die Einrichtung der Tafeln für die Betroffenen zum Überleben nicht mehr geben müsse. Eine Fortsetzung des Austausches ist geplant.

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