Musik in der Oberen Burg in Rheinbreitbach Sinti-Swing und melancholische Rhythmen
RHEINBREITBACH · Der rote Teppich im Veranstaltungssaal der Oberen Burg war übersät mit unterschiedlichsten Percussioninstrumenten, während der Konzertflügel Gitarren gewichen war.
"Mit Lulo Reinhardt, dem Großneffen des legendären Django Reinhardt, und seinem Freund Uli Krämer erwarten wir heute zwei Ausnahmemusiker, beide überaus virtuos und entsprechend weltweit erfolgreich", stellte Vorstandsmitglied Christa Schäfer am Sonntagabend die beiden Gäste des Förderkreises Obere Burg vor.
Der Verein hatte seiner Fangemeinde eine Sternstunde von Latin Swing und Flamenco versprochen, so dass die Kartennachfrage entsprechend groß war. "Wir hätten den Saal zweimal voll besetzt bekommen", freute sich Schäfer, bevor Reinhardt und Krämer ihr Konzert mit "Desert Inspiration" begannen.
"Das ist die Single aus dem gleichnamigen Marokko-Film, der vor einigen Tagen in Koblenz und Köln vorgestellt wurde", sprach der Gitarrist sein jüngstes Projekt an. Nahe der Oasenstadt Agdz hatte der deutsche Sinto die junge Fati Ait el Caid und Cherif El Hamri getroffen, einen der überzeugendsten Vertreter der Berbermusik. Deren Klänge verbindet der Gitarrist mit seinen von Sinti-Swing, Rumba, Blues und Flamenco inspirierten Kompositionen wie etwa in "Mare e sole".
Von der afrikanischen Küste nach Bayern, genauer nach Dachau führte die musikalische Reise. "Der Pfarrer, der dort in der KZ-Gedenkstätte arbeitet, hatte mich im April 2014 eingeladen, drei Stücke von meinem Vater zu spielen. Dort war sein ältester Bruder 1943 eingeliefert worden, nachdem er zuvor unter Rommel in El Alamein gekämpft hatte", erinnerte Reinhardt. Trotzdem seien seine "Memories of Dachau" keine wirklich traurige Melodie, so wie auch sein Vater niemanden in Deutschland gehasst habe. "Erinnerungen sollen nie ein Vorwurf sein", so der Musiker.
Nachdenklich stimmte dieses bewegende Stück jedoch schon, nicht zuletzt durch die dumpf- melancholische Rhythmus-Begleitung durch Krämer, der bereits seit 22 Jahren mit Reinhardt zusammenarbeitet. Zusammen mit seinem Freund konnte er sich bei der "Inspiration" von Adrian Legg, Reinhardts Erinnerungen an die Irland-Tournee mit dem englischen Gitarristen, auch gesanglich "gipsy-celtic" austoben, bevor es dann beim folgenden Tango sogar dem Plektron des Gitarristen so heiß geworden zu sein schien, dass dieser ihm zu einem Bad im kleinen Wasserbecken verhelfen wollte.
Nach Irland und Südamerika folgte Paris, die Stadt der Liebe. "Dort in Montmartre hat Django Reinhardt gelebt, gespielt und gemalt", erinnert der Großneffe, der selber in der Rue de Belleville gelandet war. Auch dieser widmete er mit dem "Hotel de Paris" eine Komposition, obwohl oder gerade weil er dort beim afrikanischen Markt ein typisch französisches Parkerlebnis hatte.
Von dort ging es zurück an die marokkanische Küste, deren sanftes Meeresrauschen unvermittelt in einen heftigen Gewittersturm überging. Dann legte sich das Unwetter wieder, so dass Reinhardt die Wellen zu Möwenschreien verspielt am Ufer auslaufen ließ. Da hatten die beide Musiker längst ihre begeisterten Zuhörer so fest im Griff, dass diese ihnen bedenkenlos überall hin gefolgt wären, um ja keine der Reinhardt-Kompositionen zu verpassen .