Wissenschaft und Politik im Dialog Erkenntnisse aus der Flutkatastrophe an der Ahr ziehen

Remagen · Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Flutkatastrophe im Juli 2021 für einen resilienten Wiederaufbau ziehen? Dieser Frage widmet sich ein neues Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

 Das Hochwasserschutzprojekt KAHR stellen vor: (v.l.) Mario Brandenburg, Jörn Birkmann, Cornelia Weigand, Holger Schüttrumpf und Katrin Eder.

Das Hochwasserschutzprojekt KAHR stellen vor: (v.l.) Mario Brandenburg, Jörn Birkmann, Cornelia Weigand, Holger Schüttrumpf und Katrin Eder.

Foto: Martin Gausmann

Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Flutkatastrophe im Juli 2021 für einen resilienten Wiederaufbau ziehen? Dieser Frage widmet sich ein neues Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Unter dem Titel „Klima-Anpassung, Hochwasser, Resilienz“, kurz „KAHR“, zielt dieses Forschungsprojekt auf eine wissenschaftliche Begleitung der Wiederaufbauprozesse nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Erste Befunde und Modellansätze für einen auf Resilienz und Klimaanpassung zielenden Wiederaufbau und Hochwasserschutz der flutbetroffenen Regionen mit Fokus auf das Ahrtal haben Beteiligte am Mittwochabend in der Rheinhalle in Remagen nach rund sechs Monaten Laufzeit vorgestellt.
Gekommen waren dafür Ahr-Landrätin Cornelia Weigand (parteilos), der parlamentarische Staatssekretär Mario Brandenburg vom BMBF, Ministerin Katrin Eder (Grüne) vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität des Landes Rheinland-Pfalz, Jörn Birkmann, Experte für räumliche Planung von der Universität Stuttgart, Co-Sprecher des KAHR-Projektes sowie Verbundkoordinator und Holger Schüttrumpf, Experte für Wasserwirtschaft von der RWTH Aachen, Co-Sprecher des KAHR-Projektes.

Hochwasser-Vorsorge wird abgefragt

Einig waren sich alle darin, dass Wetterextreme wie Hochwasser und Starkregen infolge des Klimawandels künftig häufiger und heftiger werden. Dass der reine Wiederaufbau der alten Strukturen nicht empfehlenswert ist, verdeutlichen laut Birkmann auch die massiven Schäden infolge der Flutereignisse vor rund einem Jahr im Ahrtal sowie in Teilen von NRW. „KAHR“ unterstütze die betroffenen Regionen und verschiedenen Akteure. Beteiligt sind insgesamt 13 Institutionen aus fünf Bundesländern, die Laufzeit ist Birkmann zufolge angesetzt bis September 2024. Vor Ort arbeiten diese Wissenschaftler und Praktiker eng mit Entscheidungsträgern zusammen und schaffen für diese ein Beratungsangebot.

Unter anderem stellt das Projekt Fragen wie etwa „Was nehmen Leute, die im Ahrtal wohnen, aus dem Ereignis mit?“. Birkmann sagte: „Dahingehend haben wir gerade eine Haushaltsbefragung laufen. Und die Beteiligung ist sehr hoch.“ Es gebe einen schnellen Zulauf von ausgefüllten Fragebögen, die eine Orientierung ermöglichen. Von insgesamt 326 Befragten haben mehr als 40 Prozent mit „Ja“ auf die Frage „Haben Sie nach dem Hochwasserereignis vom Juli 2021 Vorsorgemaßnahmen ergriffen?“ geantwortet.

Dagegen stehen mehr als 45 Prozent mit „Nein“. Besonders interessant für „KAHR“ sind Birkmann zufolge die Gründe dafür. Zu den Hauptmotiven zählt unter anderem „Wohnung in Mehrfamilienhaus“ (48,4 Prozent) und „Vorsorgemaßnahmen sind zu teuer“ (10,6 Prozent). Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Untersuchungen sind Schüttrumpf zufolge Brücken-Bauwerke. „Die Brücken haben die Hochwasserschäden deutlich verstärkt, haben wir festgestellt“, sagte er.

117 Brücken-Bauwerke im flutbetroffenen Ahrtal erfasst

Was das Ziel aus Sicht der Wasserwirtschaft sei, könne er allerdings noch nicht sagen. Klar sei jedoch eines: „Wir brauchen Hochwasserschutz. Aber wie soll dieser aussehen?“, fragte Schüttrumpf. „Uns vor jedem Hochwasserereignis zu schützen, wird uns niemals gelingen. Es wird immer Ereignisse geben, die so katastrophal sind, dass sie die bisherigen Erfahrungen wieder in den Schatten stellen.“

Zudem habe er herausgefunden, dass es an der Ahr 117 Brücken auf einer Lauflänge von 85 Kilometern gebe. Das mache im Durchschnitt alle 720 Meter eine Brücke. „Da frage ich mich, ob wir wirklich so viele Brücken brauchen?“, so Schüttrumpf. Weigand entgegnete, dass das langfristige Ziel sein müsse, dieselbe Infrastruktur für mehrere Verkehrsteilnehmer zu schaffen, die alle gefahrenlos nutzen können.

Abschließend sagte Schüttrumpf, das „KAHR“ untersuche, ob es bestimmte Brücken gebe, die die Wasserstände besonders erhöht hätten: „Wir haben uns unter anderem Stahlbetonbrücken, Spannbetonbrücken und Stahlbrücken angeschaut, und da zeichnen sich tatsächlich schon erste Abhängigkeiten ab.“ Nun sei es notwendig, individuelle Lösungen zu finden, etwa weniger Brücken oder andere Rampen.

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