Der Beifall kannte keine Grenzen Zittern, Zagen, Zuversicht

REMAGEN · „forum vocale sankt augustin“ läutete musikalisch die Passionszeit ein.

 Viel Beifall gab es für das Konzert in der Remagener Apollinariskirche.

Viel Beifall gab es für das Konzert in der Remagener Apollinariskirche.

Foto: Martin Gausmann

Mit Motetten aus der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert hat das „forum vocale sankt augustin“ in der Remagener Apollinariskirche konzertiert. Tiefer Ernst und künstlerische Leichtigkeit im Umgang mit den komplexen Kompositionen hielten das Publikum in Atem und bescherten den Künstlern großen Beifall.

Der Palmsonntag umreißt das Passionsgeschehen in seiner ganzen Breite. Vom „Hosianna“ beim Einzug Jesu in Jerusalem bleibt am Ende nur ein „Kreuzige ihn“ übrig. In diese Verzweiflung hinein stießen zahlreiche der Kompositionen des Abends. Höhepunkt waren die „Quatre motets pour un temps de pénitence“, die Francis Poulenc 1938/39 komponierte, nachdem der tödliche Autounfall eines Freundes ihn aus seiner bisher unbeschwerten Lebensbahn warf.

Timor et tremor

Der erste Satz „Timor et tremor“ – zu Deutsch „Zagen und zittern“ – porträtiert in der Sprache der alttestamentlichen Psalmen den verzweifelten Jesus im Garten Gethsemane, der nicht nur von den Menschen verlassen ist. Im zweiten Satz klagt Jesus im Wechsel von süßen und bitteren Melodien seinen „Vinea electa“ – „erwählten Weinberg“ – an.

Die Kreuzigungsszene im dritten Satz entspinnt sich aus der musikalischen Tiefe und verschwindet wieder in dieser. Der letzte Satz bedient sich lautmalerischer Mittel, die sowohl die kreuzigende Menge als auch die fliehenden Jünger mit großer Ton-Unordnung charakterisieren. Etwa 400 Jahre vorher hat der Renaissance-Komponist Orlando di Lasso sich ebenfalls am „Timor et tremor“ versucht, das jedoch erheblich ruhiger ausfällt. Einzig über den Buchstaben „t“ erzeugt di Lasso lautmalerisch das Zittern. Dass Passion aus keiner katholischen Messe wegzudenken ist, zeigten Kompositionen zu einzelnen Messteilen von Thomas Morley, Guillaume Dufay und Max Reger.

Aufgrund der Erkrankung des Organisten Günter Schürmann boten sich den Zuhörern längere Pausen, in denen der Chor den Altarraum verließ und damit Raum schuf, die Melodien verhallen zu lassen. Carlo Gesualdos flehendes „Ave dulcissima Maria“ präsentierte das „forum vocale“ in dermaßen großer Innigkeit, dass es dem Publikum hörbar schwerfiel, seinen Applaus bis zum Ende des Konzertes aufzusparen.

„O Tod, wie bitter bist du“

Längstes Stück des Konzertes war Regers 1912 komponiertes „O Tod, wie bitter bist du“, das die interessante Gleichung aufstellt, dass nur für den Sorglosen der Tod bitter ist, dem Bedürftigen jedoch wohltuend. Souverän vom Chor gemeistert, zog sich das Stück merklich in die Länge.

In der Verzweiflung wollten die Sänger das Publikum jedoch nicht zurücklassen. Mit seinem Kontrapunkt auf dem Wort „Freuden“ entwickelt Heinrich Schütz in „Die mit Tränen säen“ eine zuversichtliche Zukunftsperspektive, die sich in „Also hat Gott die Welt geliebt“ endgültig Bahn bricht. „Alle, alle, alle“ haben durch die Passion Christi das Heil erlangt.

Der aufgestaute Beifall entlud sich förmlich über die Musiker und zur Zugabe gab es ein besonderes Bonbon aus der Renaissance: Giovanni Pierluigi da Palestrinas „O crux ave“.

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