TV-Jahresrückblick aus dem Ahrtal Schreckliche Erinnerungen wurden lebendig

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Der Journalist Dieter Könnes (unter anderem Servicezeit, Bundesliga aktuell) ist seit Monaten im Ahrtal unterwegs und blickte nun bei einer TV-Aufzeichnung im Kurpark in Bad Neuenahr mit Gästen auf das Jahr zurück. Viele berichteten von ihren schmerzlichsten Erinnerungen.

 Die Apothekerin Linda Wnendt, die als Ausweichfläche mit ihrer Apotheke die Redaktionsräume des GA bezogen hat, im Gespräch mit Dieter Könnes.

Die Apothekerin Linda Wnendt, die als Ausweichfläche mit ihrer Apotheke die Redaktionsräume des GA bezogen hat, im Gespräch mit Dieter Könnes.

Foto: Martin Gausmann

"Da musste ich erst einmal schlucken", meinte Begoña Hermann am Dienstagabend. Die Vizepräsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier war eine von sieben Talkgästen bei Dieter Könnes. Der Filmemacher ist seit August im Ahrtal unterwegs, um das Geschehen rund um die Flutkatastrophe im Ahrtal festzuhalten und über seine Kanäle zu verbreiten. Gerufen worden war er von Markus Wipperfürth, einem Kölner Landwirt, der seit dem ersten Tag im Ahrtal mit anpackt und mehrmals am Tag über Facebook online stellt, was er erlebt.

Könnes hatte am Dienstagabend wieder die Aufnahme einer Sendung geplant, im Kurparkzelt fand der Dreh vor Publikum statt. Titel der Sendung: "Der Ahrtal-Jahresrückblick." Ein echter Jahresrückblick war es nicht, wohl aber ein Rückblick auf die Zeit ab Tag eins nach der Flutwelle. Nacheinander kamen sieben Gäste zu Wort, sie berichteten über das Erlebte, über ihre Geschichte, über ihre Arbeit nach der Flut und heute.

Dass Begoña Hermann und mit ihr auch die 200 Gäste im Zelt schlucken mussten, lag an Theo Frisch aus Altenburg. Der Berufssoldat berichtete in einer so gar nicht passen wollenden, lockeren, fast flapsigen Art über seine Erlebnisse in der Flutnacht, als er zunächst die Nachbarschaft auf eine Anhöhe rettete, dann Schreie hörte und sich mit seinem Kanu auf die Suche machte. Sieben Menschen rettete er das Leben, kenterte dabei und sah sich selbst im Sog von Strudeln und Strömungen untergehen. "Erst da hab ich mich gefragt, was ich hier eigentlich mache", so Frisch. Es ging noch einmal gut.

Schlucken musste das Publikum auch bei den Berichten von Bruno Neufeld, der in der Flutnacht Vater und Stiefmutter verlor und dessen junger Stiefbruder einer von zwei noch vermissten Menschen ist. "Nachbarn haben gesehen, wie drei Personen das Haus in Heppingen verlassen haben", berichtete er von der internen Kraft der Familie, die aus der Bestattung der Eltern für sich ein Dreierbegräbnis werden ließ. Vor rund einem Monat habe die Polizei mitgeteilt, dass sie die Suche einstelle. Der Zusammenhalt mit seinen Brüdern gebe allen die nötige Kraft, mit den Verlusten zu leben.

Nur wenige Meter von der Flut entfernt hatte Redakteur Manfred Ruch aus Sinzig in der Nacht per WhatsApp mitbekommen, wie Freunde sich von ihren Häusern verabschiedeten und konnte es nicht glauben, bis er die Katastrophe im Morgengrauen selbst entdeckte. Seither recherchieren er und seine Kollegen die Geschehnisse rund um den Krisenstab. "Ich bin gespannt auf ein immer noch ungeklärtes Zeitloch", ist Ruch noch immer unverständlich, dass mittags in Ahrhütte bereits Häuser beschädigt wurden und es zu keiner Warnung an die Unterlieger der Ahr kam. Apothekerin Linda Wnendt aus der Ahrtor-Apotheke berichtete von der großen Solidarität von Tag eins der Katastrophe an. Sie hat mittlerweile die Redaktionsräume des General-Anzeigers in Ahrweiler bezogen und blickt hoffnungsvoll nach vorne. Seitens der externen und privaten Helfer gab es von Thilo Vogel und seinen Dachzeltnomaden sowie von Markus Wipperfürth das klare Versprechen: wir bleiben hier, solange Hilfe gebraucht wird.

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