Jugendwahl Schüler wählen "bunteres" Parlament
RINGEN · Im Jugendraum rauchten am Sonntag um 18 Uhr noch die Köpfe, weil die Urnen geleert und Stimmen ausgezählt wurden: Die, die nicht wählen dürfen, haben im Kreis Ahrweiler trotzdem gewählt - bei der Jugendwahl der AG offene Jugendarbeit im Landkreis Ahrweiler.
Die Prognosen und ersten Hochrechnungen der Bundestagswahl flimmerten per Beamer über die Wand des Ringener Bürgerhauses. Politiker in Berlin kommentierten die Zahlen, waren aber kaum zu hören, weil die Musiker auf der Bühne sich live für ihren bevorstehenden Auftritt bei der Wahlparty einspielten.
Derweil rauchten im benachbarten Jugendraum noch die Köpfe, weil die Urnen geleert und Stimmen ausgezählt wurden: Die, die nicht wählen dürfen, haben im Kreis Ahrweiler trotzdem gewählt - bei der Jugendwahl der AG offene Jugendarbeit im Landkreis Ahrweiler. Und die Unter-18-Jährigen hätten ein "bunteres" Parlament gewählt als es gemäß der offiziellen vorläufigen Endergebnisse auf Bundes-, Landes- und Kreisebene der Fall ist.
CDU (33,1 Prozent) und SPD (19,7 Prozent) hätten deutlich weniger Stimmen erhalten als bei der Bundestagswahl 2013. Im Gegensatz dazu schnitten einige andere Parteien besser ab: Grüne (11,4 Prozent), aber auch Piraten (9,6 Prozent) und NPD (5,4 Prozent). Auch die FDP (6,4 Prozent) und die Linken (5,3 Prozent) wären im Bundestag der jungen Leute vertreten.
Das ist das Votum der Acht- bis Zehntklässler der Realschulen Adenau, Ahrweiler, Niederzissen und Remagen sowie der Janusz-Korczak-Schule und der Barbarossaschule in Sinzig. Dass die Wahlbeteiligung bei 891 Wahlberechtigten und 722 abgegebenen Stimmen bei 81 Prozent lag, könnte daran gelegen haben, dass die Wahlen teilweise zur Unterrichtszeit erfolgten. Dafür, dass das Interesse bei der Wahlparty am Sonntagabend im Ringener Bürgerhaus gering war, führten die Anwesenden zahlreiche Gründe an: Das Wetter, weil Sonntag sei und Probleme vieler in dieser Altersklasse, nach Ringen und zurückzukommen, gehörten dazu.
Die Beamer-Bilder blieben weitgehend unbeachtet und auch die Verkündigung des Jugendwahl-Ergebnisses erfolgte ohne Beifallsbekundungen, überraschte Gesichter oder Missmutsäußerungen. Dabei hatten die Veranstalter von der AG offene Jugendarbeit gedacht, mit den Bands "Lampenschirm" und "Mr. Rockz" zusätzlich für "Zugpferde" gesorgt zu haben. Aber das im Song von "Mr. Rockz" beschworene "Rockin' feeling" wollte bei der Wahlparty mangels Publikum nicht so richtig aufkommen, und als "Lampenschirm" sangen "Wo seid ihr?" war genau das die Frage. Was fehlte, waren die, die gewählt hatten. Gekommen waren nicht mehr als drei Dutzend Besucher: Vor allem die Verantwortlichen für die Jugendarbeit aus allen Teilen des Kreises Ahrweiler und junge Leute, die ihnen als Freiwillige bei der Umsetzung der Jugendwahl und des Projekt "ModS - Mobil der Stimmen" geholfen hatten.
Darunter war auch Mona Simon aus Altenahr. Die 20-Jährige war zwar sogar bei der "echten" Bundestagswahl wahlberechtigt, gab aber zu: "Ich war auch nicht wählen, weil ich mittlerweile in Koblenz wohne und studiere. Mir war das heute zu umständlich und die 20 Euro Spritgeld zu teuer." Warum sie nicht per Briefwahl abgestimmt hat? "Weil ich mich dann erst mit allen Parteien hätte beschäftigen müssen, und die Politiker am Ende doch nicht machen, was sie versprechen." Auch findet sie den Umgang mancher Politiker mit den Wählern unverschämt.
Der 17-jährige Miguel Jeandrée aus Altenburg hingegen hätte ganz bestimmt gewählt, wenn er gedurft hätte. Er hat sich laut eigener Aussage vor allem im Fernsehen über die Parteien informiert und die TV-Duelle angeschaut. Dabei ist ihm etwa an Angela Merkel aufgefallen, dass sie sich oft selbst wiederholt und gar nicht richtig auf die Fragen geantwortet hat. Bildung sowie Kinder- und Jugendarbeit liegen dem jungen Altenburger besonders am Herzen. Deshalb hätte er sich da auch mehr Präsenz der Politiker gewünscht, "aber die Politiker sind ja mehr auf ihre Wähler aus und gehen nicht in Schulen oder Kindergärten oder auf die Jugendlichen zu".
In die Schulen sind beim "ModS-Projekt" derweil die Jugendpfleger und ihre Helfer gegangen und haben festgestellt, dass die Sprache der Politiker vielen vorkommt wie eine Fremdsprache. Vor allem bei Achtklässlern besteht noch Aufklärungsbedarf etwa über Erst- und Zweitstimmen und das Wahlprozedere überhaupt. Mit Spielen haben sie versucht, den Jugendlichen Politik näherzubringen, was nach Ansicht vieler auch gelungen sei. Viele Themen seien diskutiert und an der "Meinungswand" Wünsche von "Weltfrieden" über "EU-Beitritt der Türkei" bis zu "Keine Schulnoten mehr" und "Nicht mehr Sitzenbleiben" artikuliert worden. Gelohnt habe sich das allemal, auch wenn die Resonanz auf die Party nicht so groß sei, so das Fazit.