Vortrag in Sinzig Nichts ist nach dem Angriff auf die Ukraine mehr so, wie es war

Sinzig · Oberst a.D. Rüdiger Gottzein referierte in Sinzig über die Zeitenwende seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs. Dabei kam er zu erhellenden Einsichten über Ursachen und Folgen.

 Den ganz großen Bogen zum Thema „Ukraine-Krieg“ spannte in Sinzig Oberst a.D. Rüdiger Gottzein.

Den ganz großen Bogen zum Thema „Ukraine-Krieg“ spannte in Sinzig Oberst a.D. Rüdiger Gottzein.

Foto: AHR-FOTO

Über die Zeitenwende und Russlands Angriff auf die Ukraine, sprach Oberst a.D. Rüdiger Gottzein auf Einladung des evangelischen Männerkreises der Kirchengemeinde Remagen-Sinzig im Sinziger Gemeindezentrum. Eine einfache Antwort auf die Frage, was nun der „richtige Weg“ ist, um den Frieden wiederherzustellen, wusste jedoch auch der frühere Bundeswehr-Oberst nicht zu geben. Frieden schaffen ohne Waffen oder verstärkte Waffenlieferungen an die Ukraine: Helfen oder schaden mehr Waffen? „Der richtige Weg ist nicht sichtbar“, meint der Ex-Soldat. Allerdings bescheinigte er dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „ein verzerrtes Weltbild“.

Diese zurückhaltende Bewertung ist verständlich. Die Welt durchlebt eine Zeitenwende, die auch am Ahrtal ihre tiefen Spuren hinterlässt. Nicht nur wegen der verheerenden Flutkatastrophe. Sondern vielmehr auch durch den Überfall der Russen auf die Ukraine, den Krieg auf europäischem Boden, die dadurch ausgelösten Sorgen, Nöte und Ängste der Menschen, die bislang in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Frieden und Harmonie miteinander leben konnten.

Ein ganzes Bündel an Ursachen für die Entwicklung

41 Jahre diente Oberst Gottzein in der Bundeswehr. Der heute 71-Jährige hat sich jedoch noch nicht so ganz zur Ruhe gesetzt: Für die Konrad-Adenauer-Stiftung ist er als Seminarleiter unterwegs, er referiert in der Region über Freiheit, Krieg und Frieden. Die Zeitenwende habe ihre Ursache im Vertrauensverlust zu Russland, dem Wandel in der Energiepolitik, den Einbußen in der Lebensführung, dem Beitritt Finnlands in die Nato, dem hohen Beitrittstempo von Staaten in die EU, dem Stellenwert, den die Bundeswehr in den Köpfen der Menschen bekommen hat, einer veränderten Einstellung der Menschen zu Waffenexporten, entstandenen Zukunftsängsten oder auch der anhaltenden Inflation.

In Putins Gedankenwelt sei die Nato zu dicht an Russland herangerückt, der Zusammenbruch der früheren Sowjetunion sei zudem ein geopolitischer Super-Gau in Putins Vorstellungen von Staat und Gesellschaft gewesen. Nach der für den russischen Präsidenten folgenlos gebliebenen Krimeroberung hätten dessen Träume von einem großrussischen Imperium neue Nahrung erhalten. „Er ist ein Autokrat mit einem verzerrten Weltbild“, bescheinigte Gottzein dem russischen Diktator.

Beruhigend wirkte der Vortrag auf die Zuhörer nicht

Auch wenn Deutschland in verstärktem Maße Waffen liefere, sei das Land keine Kriegspartei. „Völkerrechtlich betrachtet gibt es nicht die Pflicht, neutral zu sein“, so der Referent. Die meisten Völkerrechter sehen Deutschland ebenfalls nicht als Konfliktpartei im Russland-Ukraine-Krieg. Gottzein: „Die Rechtsprechung der Internationalen Gerichte sagt, dass man Konfliktpartei erst dann wird, wenn man aktiv an den Kampfhandlungen beteiligt ist.“ Eine Unterstützung einer Konfliktpartei mache den Unterstützer noch nicht zu einer Konfliktpartei. Ganz ähnlich sieht das auch die Bundesregierung: Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte jüngst, aus seiner Überzeugung bedeute die Ausbildung von ukrainischen Soldaten in Deutschland an Waffensystemen weiterhin keinen direkten Kriegseintritt Deutschlands.

Beruhigend wirkte all das vor den am Horizont abgebildeten Kraftfeldern Russland, China und Nato nicht auf die Zuhörer im Gemeindehaus am Dreifaltigkeitsweg. Völlig unbestritten war hingegen Gottzeins Fazit: „Nichts ist mehr so, wie es mal war.“

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