Prozess in Sinzig nach Tod eines Dreijährigen Wie konnte der Junge in Bad Breisig die Kita verlassen?

Sinzig · Der Prozess um den Tod des Dreijährigen aus einer Bad Breisiger Kita ist am Donnerstag fortgesetzt worden. Auch nach dem Verhandlungstag bleiben noch viele Fragen offen. Wie konnte der Junge die Kita verlassen?

 Der Prozess nach dem Tod eines Kindes in einer Kita ist fortgesetzt worden.

Der Prozess nach dem Tod eines Kindes in einer Kita ist fortgesetzt worden.

Foto: Martin Gausmann

Den erhofften Durchbruch im Fall des kleinen Ramsan gab es auch am Donnerstag nicht. Es blieb ein Rätsel, wie der dreijährige Sohn tschetschenischer Eltern am 8. Mai 2017 unbemerkt die Bad Breisiger Kita „Regenbogen“ verlassen konnte, auf ein Nachbargrundstück lief, dort in einen Gartenteich fiel, ohnmächtig wurde und nach Rettungsversuchen am Nachmittag starb.

Aufgabe von Guido Schmitz, Strafrichter am Sinziger Amtsgericht, ist es, zu klären, ob die langjährige Kita-Leiterin Pflichten nicht eingehalten und sich dadurch der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht hat.

Auch am Donnerstag dienten die Zeugenbefragungen von Richter Schmitz, von Staatsanwältin Vanessa Leibrock und den Vertretern von Ramsans Eltern vor allem dem Ziel, vier Möglichkeiten zu beleuchten, über die Ramsan das Gebäude verlassen haben könnte. Der Kleine ist etwa um 10.15 Uhr im Turnraum zuletzt von einer Erzieherin gesehen worden. Von dort könnte er hinter den Vorhang geschlüpft sein, der Turn- und Geräteraum voneinander trennt. Dort gibt es eine Tür zu dem ins Freie führenden Personalflur. Sie ist stets ge-, aus Brandschutzgründen aber nicht verschlossen. Damit Kinder diese Tür trotzdem nicht öffnen können, wird sie stets mit einem schweren Gerätekasten zugestellt.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Dreijähriger diesen Kasten beiseite schiebt“, sagte die Erzieherin, die wohl auch die Zweite war, die erfuhr, dass Ramsan in einen Gartenteich gefallen war. Noch heute klinge ihr der Hilferuf der Kollegin in den Ohren, die Ramsan leblos und unterkühlt fand: „Bring‘ mir eine Decke! Schnell.”

Eine Kollegin attestierte Ramsan am Donnerstag, er sei „ein sehr aufgewecktes, ein sehr neugieriges Kind” gewesen. Vielleicht hat er den Turnraum auch durch dessen zweiflügelige Eingangstür verlassen, ist von dort ins Kita-Foyer gelaufen, wo er eine weitere Tür zum Personalflur öffnete, über den er dann ins Freie gelangte. Aber auch diese Möglichkeit erscheint wenig wahrscheinlich. Denn die zu dem Flur, der von Kindern nicht betreten werden soll, führende Tür ist zwar unverschlossen, weil ein Fluchtweg durch diese Tür führt. Dort herrscht aber Dunkelheit, solange der Lichtschalter nicht betätigt wird. Außerdem muss, wer zur Ausgangstür gelangen möchte, eine Zwischentür öffnen. Zwischen- und Ausgangstür aber bestehen aus Stahl und sind für kleine Kinder kaum zu öffnen.

Möglich aber auch, dass Ramsan das Kita-Gebäude erst verließ, nachdem die Suche nach ihm bereits angelaufen war. Nebenklägervertreter Philipp Grassl fragte, ob es auch für Suchaktionen einen Plan und Übungen gebe, ähnlich wie für den Brandfall. Dann aber musste er feststellen, „dass dieser Fall wohl nicht geübt“ worden sei.

 Sicherheitskontrolle im Sinziger Amtsgericht:jeder Besucher und jedes Behältnis wird durchsucht.

Sicherheitskontrolle im Sinziger Amtsgericht:jeder Besucher und jedes Behältnis wird durchsucht.

Foto: Martin Gausmann

Bleibt eine vierte Möglichkeit: Ramsan hat das Gebäude durch den Haupteingang verlassen. Der ist zur fraglichen Zeit zwar verschlossen, am Tag des Unglücks aber holte ein Vater seinen Sohn vorzeitig von der Kita ab. Möglicherweise ist Ramsan zusammen mit Vater und Sohn durch die Tür nach außen geschlüpft.

Deshalb soll der Vater am Donnerstag, 12. Dezember, vernommen werden. Außerdem sind vier Polizisten als Zeugen geladen. Am Donnerstag, 5. Dezember, sollen zunächst aber weitere Erzieherinnen aussagen. Nach Abschluss der Beweisaufnahme am Donnerstag, 20. Dezember, ab 9 Uhr, sieht Richter Schmitz Plädoyers und Urteilsverkündung vor.

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