Urteil im Kita-Prozess um toten Dreijährigen Bewährungstrafe für Kita-Leiterin in Bad Breisig

Sinzig · Im Prozess um den Tod des dreijährigen Ramsan ist am Freitag das Urteil gesprochen worden. Der Junge hatte am 8. Mai 2017 unbemerkt die Kita „Regenbogen“ in Bad Breisig verlassen und war in einem Gartenteich ertrunken.

 Strafrichter Guido Schmitz hat am Freitag im Sinziger Amtsgericht das Urteil im Kita-Prozess verkündet.

Strafrichter Guido Schmitz hat am Freitag im Sinziger Amtsgericht das Urteil im Kita-Prozess verkündet.

Foto: Martin Gausmann

Die Leiterin der Bad Breisiger Kita „Regenbogen“ ist am Freitag, dem sechsten Verhandlungstag im Sinziger Amtsgericht, der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen für schuldig befunden worden.Straf­richter Guido Schmitz verurteilte die Angeklagte zu drei Monaten Haft, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung.

Begründung: Weil sie ihren Pflichten als Kita-Leiterin nicht nachgekommen sei, konnte ein dreijähriger Junge am Morgen des 8. Mai 2017 unbemerkt die Kita verlassen, in den Gartenteich auf einem Nachbargrundstück fallen, das Bewusstsein verlieren und ertrinken. Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten eine Geldstrafe gefordert, die Verteidigung Freispruch. Die Kita-Leiterin hatte in ihrem Schlusswort die Eltern des kleinen Ramsan um Entschuldigung gebeten.

Betreuerin habe ihre Sorgfaltspflicht verletzt

„Hinterher ist man immer schlauer”, sagte Richter Schmitz, Aber: Die Möglichkeit, dass Kinder den „Regenbogen“ unbemerkt über den als Fluchtweg unverschlossen zu haltenden Personalflur verlassen, hätte der Leiterin „ständig ein Dorn im Auge sein müssen“. An übergeordneter Stelle hätte sie „wieder und wieder darauf drängen müssen, dass diese Möglichkeit unterbunden wird“. Weil sie das nicht tat, habe sie ihre Pflicht nicht erfüllt, für eine sichere Verwahrung der ihr anvertrauten Kinder zu sorgen. „Diesen Vorwurf kann ich der Angeklagten nicht ersparen”, sagte Schmitz – auch deshalb, weil es mit wenig Aufwand möglich gewesen wäre, die zum Personalflur führenden Fluchttüren so zu verändern, dass sie zwar aus dem Flur heraus zu öffnen gewesen seien, nicht aber in die Gegenrichtung.

Eine Kita-Leiterin trage eine besondere Verantwortung für die ihr anvertrauten Kinder. Und sie garantiere den Eltern, wenn auch unausgesprochen, Sorge für das Wohl ihrer Schützlinge und die Abwehr von Gefahren zu tragen. „Als Vater oder Mutter muss ich erwarten dürfen, dass mein Kind in einer Kita sicher verwahrt wird“, sagte der Richter.

Strafmaß berücksichtigt Unglücksfalllage

Schmitz zeigte sich in seiner Urteilsbegründung überzeugt davon, dass Ramsan die Kita über das Foyer und den zum Hintereingang führenden Personalflur verließ, der auf den Personalparkplatz führt. Es sei auch gut nachvollziehbar, dass Ramsan nicht den direkten Weg nach Hause nahm, obwohl er diesen Weg wohl kannte, sondern auf das Nachbargrundstück lief und dort den Teich entdeckte, der den Kleinen vermutlich magisch anzog. Niemand habe davon etwas beobachtet; und Zeugen gebe es nicht. Aber Richter Schmitz schloss alle die übrigen Möglichkeiten aus, die der Dreijährige hätte wählen können. Schmitz räumte ein, dass die Möglichkeiten einer juristischen Aufarbeitung der Unterlassung, wie sie der Kita-Leiterin vorgeworfen wurde, „an ihre Grenzen geführt wurden“.

Bei der Strafzumessung habe das Gericht berücksichtigt, dass die Angeklagte durch das Unglück und dessen juristische Aufarbeitung „bereits erheblich beeinträchtigt“ sei. Außerdem sei die Verurteilte nicht die alleinige Schuldige an dem Unfall. Neben der Kita-Leiterin gebe es weitere Verantwortliche für das Unglück– die Bauabteilung der Verbandsgemeindeverwaltung etwa und die Bauaufsicht beim Kreis.

Auch Bauamt habe sich unverantwortlich verhalten

„Es läuft einem kalt den Rücken herunter, wenn man sieht, wie die Angeklagte vom Bauamt alleine gelassen wurde“, rügte Schmitz und scholt vor allem „das hanebüchene Chaos von Unzuständigkeiten und Ungeregeltheiten“, das im Zuge der Zeugenvernehmungen deutlich geworden sei. Ein Mangel sei auch, dass es kein Pflichtenheft für die Kita-Leiterin und in ihrem Arbeitsvertrag keine detaillierte Aufgabenbeschreibung gegeben habe.

Auch für die Polizei gab’s eine richterliche Rüge: Deren Ermittlungsarbeit nach dem Unglück vor Ort in der Kita sei unzureichend gewesen. Viel zu schnell habe sich die Polizei bei ihren Ermittlungen allein auf den Personalflur konzentriert.

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