Geschichten rund um den Nikolaus im Kreis Ahrweiler Viele Aufgaben für Sankt Nikolaus

Kreis Ahrweiler · Er ist Schutzpatron, Gabenbringer und Hilfspädagoge: Im Kreis Ahrweiler hat Sankt Nikolaus viel zu tun. Etliche Gotteshäuser sind dem Heiligen gewidmet. Und auch gezittert wurde in der Vergangenheit bei seinem Erscheinen an Rhein und Ahr. Allerdings mehr wegen seines Begleiters Knecht Ruprecht.

 Feldpostkarte mit Verwundeten bei einer Weihnachtsfeier 1915 im Reservelazarett II auf Nonnenwerth.

Feldpostkarte mit Verwundeten bei einer Weihnachtsfeier 1915 im Reservelazarett II auf Nonnenwerth.

Foto: Hildegard Ginzler

Selbst vor einem wichtigen Brauchträger und populären Heiligen wie dem seit dem 12. Jahrhundert im ganzen Abendland verehrten Sankt Nikolaus machen die Corona-Absagen nicht halt. Nikolaus-Märkte fallen aus, so in Remagen und Mayschoß, wo noch Mitte November ein schickes Schild an der Durchgangsstraße für den Markt im historischen Keller der Winzergenossenschaft warb.

Man wird sich, was die Festgestaltung angeht, zu behelfen wissen. Beispiel Sinzig-Koisdorf: Weil diesmal Messe, Feier und Geselligkeit auf dem Dorfplatz entfallen, will das Sankt Martins-Komitee dem Nikolaus „Beine machen“. Er soll alternativ an den Abenden des 5. und 6. Dezember den Koisdorfer Kindern persönlich eine kleine Überraschung vor die Tür bringen.

Königsfelder Kirche Sankt Nikolaus 1226 erstmals erwähnt

Der Heilige ist der Schutzpatron der Seefahrer, Binnenschiffer, der Händler und Kinder. Sein Patrozinium verbreitete sich in Europa, nachdem die Reliquien des Nikolaus von Myra (heute Türkei) 1087 nach Bari in Italien übertragen worden waren. Im Kreis Ahrweiler kennt man etliche Nikolaus-Gotteshäuser. Das früheste mag in Rolandswerth gestanden haben, wo die Siedlung sich um eine bereits 1148 erwähnte, dem Heiligen geweihte Kapelle und ein Hospital herum entwickelte.

Urkundlich belegt ist 1202 ein ihm gewidmetes Gotteshaus in Nürburg. Erstmals erwähnt wird 1226 die Königsfelder Kirche Sankt Nikolaus und 1306 eine Kirche oder Kapelle zu seinen Ehren in Aremberg. Auch der Vorgänger der Niederbreisiger Marienkirche, der ab 1337 in den Annalen auftaucht, hat als Patrone Nikolaus und Sebastian. Und 1668 nennt die Chronik von Mayschoß erstmals Sankt Nikolaus als Pfarrpatron der Kirche, wo man heute auf eine Skulptur und ein Relief von ihm trifft.

Rechts vor dem Chor steht Zweitpatron Rochus, der auf die Pest im Mayschoß des 17. Jahrhunderts zurückgeht, links Nikolaus als Bischof mit Mitra und Stab auf einem Schiff-Podest, passend für den Seenot-Erretter. Drei Kinder in einem Fass weisen zudem darauf hin, dass er getötete und eingepökelte Scho­laren wieder ins Leben holte, während er nach einer anderen Legende drei armen Mädchen Gold schenkte, damit sie heiraten konnten.

Gabenbringer „zwischen Kult und Klamauk“

So wurde Nikolaus, wie Volkskundler Professor Werner Mezger feststellt, zur „Schenkfigur“. Der Brauchexperte verortet den Heiligen „zwischen Kult und Klamauk“. Vom Gipfel der Verehrung im Mittelalter führe sein atemberaubender Weg über eine totale Verweltlichung, die ihn zum dümmlichen aus dem Wald stolpernden Opa mache, hin zum Knuddeltier im Nikolaus-Gewand. Die historische Person ist kaum greifbar, nachdem bereits der Heiligen-Biograph Symeon Metaphrastes (gestorben vor 1025) zwei Personen verschmolz: Nikolaus, Bischof von Myra des vierten Jahrhunderts und den 200 Jahre später lebenden Nikolaus, Abt von Pinora. Legenden kamen hinzu. Es tat der Beliebtheit keinen Abbruch, zumal der Helfer und Gabenbringer sich auch zum Hilfspädagogen entwickelte. Warum er bei seinen Besuchen Gebets- oder Schulleistungen abfragte? Das rührt daher, dass einst am Nikolaustag im Gottesdienst verbindlich die Lesung der Talente vorkam, eine Gewissenserforschung. Früher wandten sich die Kinder direkt in frommer Absicht an ihn. Zita Gebhard schreibt im Heimatjahrbuch (Hjb) des Kreises Ahrweiler 1959 für die Adventszeit im Brohltal: „Dann saßen und sitzen die Kinder nach dem Abendglockläuten um den Herd herum und beten zum ‚Niklöschen‘: ‚Helech (heilig) Niklösche bitt‘ für uns, wir bitten dich, erhöre uns!‘“ Manfred Becker berichtet vom damaligen Kempenicher Ländchen: „Weihnachtliche Stimmung erfüllte unsere Herzen. Abend für Abend wurden Rosenkränze gebetet, um Nikolaus und Knecht Ruprecht gütig zu stimmen.“ (Hjb 1987). An die 1920er und 1930er Jahre erinnert sich Josef Ruland (Hjb 1967): „Vor allem wurde vom ‚Nikeloos‘ nach Schulleistungen gefragt und oft genug wurde uns im ersten und auch im zweiten oder dritten Schuljahr ein Schulbuch in die Hand gedrückt, etwa ‚Hei, leicht und lustig‘, ‚Der bunte Garten‘ oder ‚Das goldene Tor‘ mit der Bemerkung, man möge doch etwas daraus vorlesen. Gott, wurde dann gestottert und gezappelt. Meist fühlte sich dann Mutter berufen, helfend einzugreifen, während der Vater im Hintergrund die Szene still genoß.“ Gezittert wurde weniger vor dem Nikolaus als vor seinem Gegenspieler. Becker: „Beeindruckend waren sein Bischofsgewand und sein langer weißer Bart.

Hinter ihm jedoch kam sein finsterer Geselle, ganz in Schwarz, der Hans Muff. Aus dem Sack des Gesellen baumelten ein paar Kinderbeine, und wer nicht artig war, dem drohte der Nikolaus, ihn ebenfalls in den Sack zu stecken.“ In Bad Neuenahr kam es vor, dass ein besonders frecher Junge im Sack des Unheimlichen landete und erst nach eineinhalb Kilometern Weg in den Weinbergen herausgelassen wurde. Nicht so bei Malermeister Willi Pollig, der als gütige Heiligen-Variante dort jahrzehntelang die Kinder aufsuchte. Ihnen erklärte er stets, der Begleiter sei dazu da, „dem Nikolaus den Sack zu tragen“.

Szene auf einer Feldpostkarte

Außer in die Wohnhäuser kam der himmlische Abgesandte auch in Kindergärten und Schulen. Bereits in den 1930ern war er gern gesehener Gast im privaten Kindergarten von „Tante Berta“ in Bad Neuenahr. Trotzdem liefen bei Gertrud Schumacher auf die freundliche Frage „willst Du mal ein Gedicht aufsagen?“ vor Aufregung die Tränen.

Zum Trost von Verwundeten machte Nikolaus 1915 sogar Station bei einer Weihnachtsfeier im Reservelazarett II auf der Insel Nonnenwerth. Eine Feldpostkarte, die Hans Atzler aus Oberwinter zufällig auf einem Flohmarkt fand, zeugt von dieser Begegnung.

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