Mayschoßer Bürgermeister über seine Amtszeit Vom Regierungsumzug bis zur Flutkatastrophe

Mayschoß · Hubertus Kunz ist 25 Jahre Bürgermeister von Mayschoß gewesen. Am Ende seiner Amtszeit hat die Ahr weggerissen, was die Gemeinde mit zahllosen Ehrenamtlichen geschaffen hatte. Dennoch zieht Kunz eine positive Bilanz und schaut recht hoffnungsfroh auf die Zukunft.

 Hubertus Kunz ist nach 25 Jahren nicht mehr als Bürgermeister im Amt. Die Flut, die so viele Errungenschaften seiner Amtszeit zerstört hat, bildet den Schlusspunkt seiner Karierre. Doch auch aus dieser schwierigen Zeit zieht der Bürgermeister a.D. eine hoffnungsfrohe Lehre.

Hubertus Kunz ist nach 25 Jahren nicht mehr als Bürgermeister im Amt. Die Flut, die so viele Errungenschaften seiner Amtszeit zerstört hat, bildet den Schlusspunkt seiner Karierre. Doch auch aus dieser schwierigen Zeit zieht der Bürgermeister a.D. eine hoffnungsfrohe Lehre.

Foto: Martin Gausmann

25 Jahre lang war Hubertus Kunz Bürgermeister der Gemeinde Mayschoß an der Mittelahr. Bereits Ende März 2021 hatte er angekündigt, unter anderem aus gesundheitlichen Gründen, zum 30. September auszuscheiden. Damals dachte noch niemand an eine Flut, wie die Ahrregion sie Mitte Juli erlebt hat. Die alles dahinraffte, was die Gemeinde aufgebaut hatte in dem Bestreben, ihr Image zu ändern: Weg vom Ziel für trinkfreudige Touristen aus dem Ruhrgebiet hin zu einem Platz für Naturfreunde, Wanderer und Weingenießer. Nahezu alle Projekte, die in 25 Jahren mit viel ehrenamtlicher Arbeit realisiert werden konnten: weggespült.

In der ersten Phase seiner Arbeit änderten sich die Zielgruppen der Ahr: Postmitarbeiter statt Lobbyisten

Hubertus Kunz führte die Geschicke des Weindorf von 1989 bis 2009 und nach einer beruflich bedingten Pause wieder von 2016 bis 2021. Am Anfang der ersten Phase stand im Sommer 1991 der Beschluss des Bundestags, die Hauptstadt von Bonn nach Berlin zu verlegen. Das bedeutete einen Umbruch für das Winzerdorf, denn viele Arbeitsplätze in Bonn drohten wegzufallen. „Wir mussten total umdenken, die Gemeinde musste sich verändern“, erinnert sich Kunz an die Zeit der Ungewissheit. Mit dem Polit-Tourismus würde es ein Ende haben. Besuchergruppen der Parlamentarier, von Verbänden und Lobbyisten würden nicht mehr an die Ahr kommen. „Wir dachten, das Licht geht jetzt aus“, so Kunz.

Es kam anders. Bonn entwickelte sich zur Telekom-, Post- und Uno-Stadt. Durch die prosperierende Bundesstadt wurde der Tourismus an der Ahr mehr als ausgeglichen. Außerdem legte Mayschoß in seiner Werbung das Augenmerk jetzt vor allem auf die Ballungsgebiete im südlichen Nordrhein-Westfalen, Bonn, Köln und Aachen. Parallel dazu besannen sich erste Weingüter und auch die Mayschosser Winzergenossenschaft auf einen neuen Stil beim Wein: weg von der Masse, hin zur Qualität – Wein, wie die Franzosen ihn machten.

Auch der Ort Mayschoß veränderte sich in diesen Jahren baulich

Mayschoß musste sich mausern. Es fing an mit dem Festplatz. Aus der staubigen Fläche wurde ein attraktiver Platz mit Pergolen, einem Weinbrunnen, Gabionen-Mauern, frischem Grün und einem festen Pflaster. Zusammen mit dem Verkehrsverein und vielen Ehrenamtlichen gestaltete die Gemeinde auch den Bahnhofsvorplatz neu. Das verwahrloste Gebäude konnte privatisiert und mit einer Gaststätte ansprechend hergerichtet werden. Eine solide Brücke wurde dorthin gebaut. Ein Radweg kam. In dem engen Tal konnte er durch den zweiten Bahntunnel gelegt werden, durch den keine Züge mehr verkehrten. Er wurde Richtung Altenahr fortgeführt und entwickelte sich zum Hit für Freizeitradler.

Schon in den 1980er Jahren war die Flurbereinigung auf den Weg gebracht worden, mit neuem Konzept. Regenwasser sollte nicht von den Rebflächen weg, sondern in die Wingerte geleitet und die Terrassen erhalten werden. „Es war eine kluge Entscheidung, selbst bei dem vergangenen Starkregen gab es keine Ausschwemmungen“, sagt Kunz. Im Zuge der Flurbereinigung konnte die hölzerne Anna-Brücke in Laach finanziert werden. Nahezu alles, für das Hubertus Kunz als Bürgermeister seine Energie verwendet, für das er seine Beziehungen fruchtbar gemacht hat, ist weg. Geblieben sind einige Projekte. Stichworte: Nahwärme und Dorferneuerung, die jetzt höheren Stellenwert erreichen.

Seine Laufbahn: Politiker und Lehrer statt Winzer

Hubertus Kunz (71) wurde in Karlsruhe geboren, verlor seinen Vater früh und wuchs in der Heimat der Mutter, in Mayschoß, auf. „Ich wollte Winzer werden, das war mein Traum“, erinnert er sich an Kindertage. Das Aus für den Traum kam, als er mit sieben Jahren mit der rechten Hand in eine Seilwinde geriet und zweieinhalb Finger verlor „Du moss op de Schull jonn“, entschied der Großvater und schickte den Jungen, acht Jahre alt, ins damalige Konvikt in Linz, ein Internat.

„Ich musste erst einmal wieder das Schreiben lernen – ohne die Finger“, erinnert sich Kunz. Er machte Abitur, begann ein Lehramtsstudium mit den Fächern Religion, Mathematik und Biologie. Was folgte, war eine Laufbahn zwischen Schule und Politik. Lehrerstellen hatte Kunz in Alfter, Ahrweiler und Dernau. 1970 war er der CDU beigetreten, war von 1972 bis 2019 Vorsitzender der CDU Mayschoß, ab 1974 Mitglied im Gemeinderat. Als Personalrat der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) für Grund- und Hauptschulen sowie als Hauptpersonalrat im Mainzer Bildungsministerium war er einige Jahre vom Schuldienst freigestellt.

Wenn Hubertus Kunz über seine Schulzeit in Linz nachdenkt, kommt er zu dem Schluss: „Es war eine gute Zeit, da haben wir Sozialkompetenz gelernt.“ Gelernt hat er, Kontakte zu pflegen, was ihm später zugute kam. „Ich wurde ein Netzwerker“, sagt er. Dank der Beziehungen fand er Möglichkeiten, Pläne der Gemeinde zu realisieren.

Kunz über die Zeit nach der Flut: „Wenn jeder jedem hilft, dann kannst du Wunder bewirken“

Nach der Flut ist das meiste von dem, was der Rat in all den Jahren durchgesetzt hat, weg. Das Wasser hat die Anna-Brücke und die Brücke am Sportplatz mitgenommen, Waagplatz und Bahnhofsplatz hat sie leer gespült, die Weinlagen im Tal überflutet, den Sportplatz weggetragen. Straßen, Gehwege, Beleuchtung sind kaputt. „Das Materielle ist alles weg, das ist schmerzhaft, nicht weg sind die sozialen Werte“, hat Hubertus Kunz durch die Katastrophe erfahren. „Darauf kommt es an.“ Jeder Mayschosser habe dazu beigetragen, die Krise zu bestehen. „Nur darum sind wir so weit gekommen.“ Das Erlebnis der Flut hat dem Religionslehrer zu einem neuen Verständnis der Bibel verholfen, da, wo es um die Wunder geht. „Wenn jeder jedem hilft, dann kannst du Wunder bewirken. Das ist mir bewusst geworden. Wunder geschehen durch Teilen, durch Nächstenliebe.“ Auch die Winzer hätten gearbeitet „wie die Wilden“, Wildfremde seien gekommen, um zu helfen. „Die Menschen haben Dinge geschafft, die an ein Wunder grenzen.“ Die Katastrophe habe gezeigt, dass in Mayschoß alle benötigten Kompetenzen vorhanden seien.

Der Krisenstab werde Mayschoß in eine gute Zukunft führen. Als positives Ergebnis der Flut sieht Kunz auch die Tatsache, dass Dernau, Rech und Mayschoß, die drei Gemeinden im „Saffenburger Ländchen“, jetzt enger zusammenarbeiten wollen. Darum kann er „mit einem mehr lachenden als weinenden Auge“ aus dem Amt scheiden.

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