Erste Aufführung nach 16 Jahren Wachtberger spielt Jesus bei Passionsspielen in Schuld

SCHULD · Nach 16 Jahren Pause gibt es wieder Passionsspiele in der Kirche Sankt Gertrud in Schuld. Die Schauspieler sind mit Liebe zum Detail vorgegangen.

 Einzug in Jerusalem: Große und kleine Akteure der Passionsspiele in der Sankt-Gertrud-Kirche in Schuld.

Einzug in Jerusalem: Große und kleine Akteure der Passionsspiele in der Sankt-Gertrud-Kirche in Schuld.

Foto: Martin Gausmann

Viel Volk schreitet durch den Hauptgang der Kirche Sankt Gertrud in Schuld nach vorne, in den Altarraum. Es sind Jungen und Mädchen, Jugendliche, Erwachsene, alle in altertümlichen, langen Gewändern, alle mit Palmwedeln. Sie rufen „hosanna“, und in ihrem Gefolge kommt Jesus, in Sandalen, ohne Socken, in weißem Gewand, die Lichtgestalt. Ein friedlicher Aufzug. Aber der Schein trügt: Im Hintergrund schmieden der Hohepriester Kaiphas und seine Gefolgsleute Pläne, Jesus aus der Welt zu schaffen. Nach einer Pause von 16 Jahren gibt es wieder Passionsspiele in Schuld. Premiere ist am Samstag.

Die Beleuchtung in Sankt Gertrud ist ausgeschaltet, sanfte Orgelmusik zu hören, dann fällt erstes Licht auf den steinernen Altar, auch im Kirchenraum wird’s wieder hell, das Spiel beginnt: Priester beherrschen die Szene, unterhalten sich über Jesus, dessen Wirken ihnen gegen den Strich geht. Dabei ist Jerusalem voll von dessen Anhängern. Kaiphas und die Pharisäer kommen zu dem Schluss, dass Judas Iskariot, einer der Apostel Jesu, ihnen helfen könnte. Es hat sich herumgesprochen, dass der Lanzenschmied dem finanziellen Ruin nahe ist. Die Pharisäer sollen ihm Geld anbieten, wenn er verrät, wo Jesus am Abend an einsamer Stelle gefasst werden könnte.

Textbuch von 1981

Judas, der in grau-schwarzem Gewand auftritt, tut sich schwer mit dem Ansinnen, seinen Meister zu verraten. „Durch einen Wink, der niemand schadet, wirst du groß“, flüstert ihm einer der Priester ein. „Hinterlist, Tücke“, schimpft Judas, will das von ihm verlangte Spiel nicht mitmachen. Andererseits ist er Realist, führt das Elend in der Welt an, zu dem der von Jesus gepredigte barmherzige Gott in Widerspruch stehe. Damit nimmt Judas eine noch immer aktuelle Position ein, ist im Prinzip ein moderner Mensch. Für 30 Silberstücke lässt er sich schließlich auf den Handel ein. Und damit nimmt die Geschichte vom Leiden Jesu in Schuld ihren Lauf - bis zum Tod am Kreuze.

Gerold Rosenthal, Dechant und früherer Pfarrer von Schuld, hat im Jahr 1981 das Textbuch für die Passionsspiele geschrieben. Dabei stützt er sich vor allem auf das Markus-Evangelium. Ihm war es wichtig, Judas nicht als naiven Bösewicht darzustellen, sondern als einen innerlich zerrissenen Menschen, der um Wahrheit und Erkenntnis ringt. „Er spricht all die Fragen und Probleme aus, die auch die anderen Apostel und wir heute haben“, stellt Rosenthal in seinem Vorwort fest. Anders sieht es da mit Maria Magdalena aus, die von Judas ohne großes Nachdenken als „Hure“ verachtet wird.

Gespielt wird die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu von Laiendarstellern aus Schuld und der weiten Umgebung. Einige haben schon vor 2004 mitgespielt, viele sind neu dabei.

Etwa Jesus-Darsteller Nico Heinrich (36), von Beruf Verwaltungsbeamter aus Wachtberg. Er spielt in der Studiobühne Wachtberg im Laientheater Stücke für Kinder, Märchen und Boulevardstücke für die Großen. Mit der neuen Rolle hat er sich erst einmal schwer getan. „Ich habe lange überlegt, ob ich das kann, jeder hat doch ein anderes Bild von der Figur“, sagt er. „Ich habe lange überlegt, ob ich das rüberbringen kann, möchte auch wissen, warum Jesus das auf sich genommen hat.“ Das sei für ihn noch nicht ganz geklärt. Andererseits müsse man allen Menschen Respekt und Liebe entgegenbringen und auch fest an sich selbst glauben.

Über Klaudia Thiesen (53), die auch in Wachtberg auf den Brettern steht, ist er zu den Passionsspielen gekommen. Sie stellt die Maria dar. „Das ist wenig Text, aber mit einer großen Aussagefähigkeit, es ist eine wichtige Rolle“, sagt sie. Die Auseinandersetzung mit der Rolle habe ihr viel gebracht. „Ich bin eigentlich ein extrovertierter Typ, Maria war mir im Glauben nicht so präsent, jetzt sehe ich viel Stärke in ihr, das ist Klasse.“

Neue und bekannte Mitspieler

Neu bei den Spielern ist auch Herbert Bätz (53), er stellt den Barabbas dar, jenen Häftling, den Pontius Pilatus schließlich statt Jesus freigibt. „Für die Rolle war keiner da, weil ich so wild aussehe, dachten sie, der ist gut dafür“, schmunzelt der Mann mit einem wilden Bart. „Ich habe einen kurzen, aber wichtigen Auftritt, das ist schön.“

Schon 20 Jahre lang hat Dieter Hochgürtel (76) aus dem Kreis Euskirchen mitgespielt, früher den Josef von Arimathäa aus dem Hohen Rat der Priester, für ihn eine sehr schöne, aber schwere Rolle. Jetzt hat er den einfacheren Part eines Apostels übernommen. Schon von Anfang an bei den Passionsspielen ist Udo Stratmann, früher als Petrus, jetzt als Kaiphas, „die Rolle war frei“, sagt er. „Ich bin nur einfaches Volk, ziehe mit Hosanna und Palmwedel in die Stadt ein und stehe in der Szene mit Pilatus dabei“, berichtet Ursula Sand. Fröhlich rennt die Kinderschar durch die Szene. „Wir laufen zu Jesus, er ist für uns ein Held, der über Gott redet, wir wollen ihm zuhören“, begründet ein Mädchen sein Engagement.

Regie führt Matthias Beer (30), er ist Gemeindereferent im Adenauer Land und bei den Passionsspielen als Johannes auf der Bühne. Er hat ein Faible fürs Theater, spielt seit zehn Jahren in einer Gruppe in Trier, die Satire und Farcen inszeniert. „Die neue Rolle ist spannend und die Regie eine Herausforderung“, sagt er. „Jeder Mitspieler bringt Begeisterung für das Projekt mit, und es macht Freude, aus dem Fundus von Passionen die eine Passion werden zu lassen.“

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