Blick in die Geschichte Wie eine Genossenschaft einst in Ahrweiler für Wohnraum sorgte

Kreis Ahrweiler · Wohnraum an der Ahr ist rar, besonders nach der Flut. Der Kreis prüft daher die Gründung eine Wohnungsbaugesellschaft. Vorbild könnte eine Genossenschaft sein, die vor mehr als 100 Jahren gegründet wurde.

 Diese Häuser in der Sinziger Hohenstaufenstraße hat eine Wohnungsbaugesellschaft in den 1970er Jahren gebaut.

Diese Häuser in der Sinziger Hohenstaufenstraße hat eine Wohnungsbaugesellschaft in den 1970er Jahren gebaut.

Foto: ahr-foto

Bezahlbarer Wohnen ist im Kreis Ahrweiler knapp. Mietpreise steigen. Die Flutkatastrophe vom Juli 2021 hat die Wohnungsnot noch einmal deutlich verstärkt. Gut möglich deshalb, dass es im Kreis Ahrweiler bald wieder eine Wohnungsbaugesellschaft gibt. Der Kreistag hat jedenfalls kürzlich einstimmig auf Antrag der SPD beschlossen, die Verwaltung prüfen zu lassen, ob die Gründung einer kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft unter Beteiligung der Kommunen und weiterer lokaler Akteure sinnvoll ist. Damit könnten die Verantwortlichen dem Mangel an Wohnraum begegnen.

Aus einer ähnlichen Situation heraus hat die damals noch selbstständige Stadt Ahrweiler vor mehr als 100 Jahren eine ähnliche Einrichtung gegründet. Gut 20 Jahre später wurde sie wegen einer Gesetzesänderung, vermutlich aber auch wegen ihres Erfolgs, auf umliegende Städte und Dörfer ausgeweitet.

Bis zum Ersten Weltkrieg waren Städte und Gemeinden im Kreis Ahrweiler und auch der Kreis selbst nicht auf dem Wohnungsmarkt aktiv. Bau, Vermarktung, Bewirtschaftung und Verwaltung von Wohnimmobilien wurden bis dahin vielmehr ausschließlich der Privatinitiative überlassen. Daneben gab es lediglich Bauunternehmer, die für einen gewissen Vorrat an Wohnraum sorgten, um ihre Facharbeiter auch in Zeiten fehlender privater Baulust beschäftigen zu können.

Während erste Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften andernorts bereits im 19. Jahrhundert entstanden, dauerte es im Kreis Ahrweiler bis zum Ersten Weltkrieg. Ursachen für die Gründung waren „der aufgestaute Wohnungsbedarf, die gesteigerte Eheschließung heimkehrender Soldaten und die allgemeine Geldentwertung“, schreibt Christian Ulrich, ehemaliger Landrat des Kreises Ahrweiler (März bis August 1945) und Bürgermeister der Stadt Ahrweiler (1949-1959), im Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler für das Jahr 1953.

Unter Nationalsozialisten umgewandelt und ausgeweitet

Wie bei Ulrich zu lesen ist, schlossen sich in Ahrweiler im Herbst 1919 Bauinteressente, Handwerker und Kaufleute zusammen, um eine gemeinnützige Wohnungsbau-Genossenschaft aus der Taufe zu heben. Für sie gewährte der Staat finanzielle Förderung, und die Stadt Ahrweiler unterstützte die Gründung, indem sie Bauland als Genossenschaftsanteil einbrachte.

In den Jahren von 1920 bis 1929 baute die junge Genossenschaft in Ahrweiler in Mehrfamilienhäusern mit je zwei bis sechs Wohnungen rund 80 Drei-, Vier- und Fünf-Zimmer-Wohnungen. Dann stellte sie ihre Bautätigkeit ein. Folge war, dass sich Handwerker und Gewerbetreibende aus der Genossenschaft abmeldeten und dass die Genossenschaft bald nur noch aus Wohnungsuchenden bestand. Laut der Jahresrechnung für 1939 hatte die Genossenschaft damals 171 Mitglieder. Das Vermögen der Genossenschaft wurde in der Rechnung mit 350 000 Reichsmark bewertet und die Schulden beliefen sich auf 250 000 Reichsmark. Die Mieteinnahmen betrugen 25 000 Reichsmark.

Weil die Reichsregierung der Nationalsozialisten Anfang 1940 neue Grundsätze für den sozialen Wohnungsbau formuliert hatte, wurde die Wohnungsbaugenossenschaft auf den gesamten Kreis Ahrweiler ausgedehnt. Dazu gründeten Stadt und Kreis Ahrweiler am 30. November 1940 die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH Ahrweiler. Nachdem die Stadt Ahrweiler die vorherige Wohnungsbau-Genossenschaft liquidiert hatte, brachte sie deren Besitz an Häusern als Geschäftsanteil in die neue Gesellschaft ein. Vermutlich war der Krieg Grund dafür, dass sie nicht mehr schaffte, als im Herbst 1944 mit dem Bau von 14 „Behelfsheimen" zu beginnen. Die wurden größtenteils erst im Laufe des Jahres 1945 fertiggestellt, teilweise erst nach der Besetzung des Kreises Ahrweiler.

Bei den Bombenangriffen auf Ahrweiler und Bachem an Heiligabend 1944 waren etliche Häuser der Gesellschaft getroffen worden. Sechs Häuser wurden stark beschädigt, vier weitere Häuser und eines der neu gebauten Behelfsheime völlig zerstört. Insgesamt 1783 Quadratmeter Wohnfläche fielen den Bomben zum Opfer, was einen Ausfall von 40 Prozent der gesamten Mieteinnahmen nach sich zog.

Nach dem Krieg, im Jahr 1950, trat die Stadt Remagen der Wohnungsbaugesellschaft des Kreises bei. In Ahrweiler gelang es, die kriegszerstörten Häuser rasch wieder aufzubauen. Die Neubauten der Jahre 1951 und 1952 boten insgesamt 93 Wohnungen. Die wurden vor allem Heimatvertriebenen zugewiesen. Eigentümerin von insgesamt 253 Wohnungen, so Ulrich, war die Gesellschaft bis 1952. Danach verliert sich ihre Spur.

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