Architekt in Bad Neuenahr warnt vor „Verhässlichung“ Wiederaufbau an der Ahr soll Lokalkolorit atmen

Bad Neuenahr/Ahrweiler · Die Bürgerinitiative „Lebenswerte Stadt“ beschäftigt sich mit dem Wiederaufbau des Ahrtals. Ein Architekt warnt vor einer „Verhässlichung“ durch neue Bauprojekte.

 Wie hier in Heppingen entstehen überall in der Ahr-Region neue Wohnhäuser. Experten mahnen, dass beim Wiederaufbau auf Lokalkolorit geachtet werden muss. 

Wie hier in Heppingen entstehen überall in der Ahr-Region neue Wohnhäuser. Experten mahnen, dass beim Wiederaufbau auf Lokalkolorit geachtet werden muss. 

Foto: Martin Gausmann

„Das Ahrtal neu denken“, ist inzwischen zu einem vielzitierten Slogan geworden. Einerseits sollen die durch die Flutwelle zerstörten Gebäude so schnell wie möglich wieder saniert oder neu aufgebaut, andererseits sollen Planungen mit Bedacht unter Berücksichtigung besonderer Nachhaltigkeit und Hochwassersicherheit umgesetzt werden. Das verständliche Bedürfnis, schnellstmöglich wieder in eigene vier Wände zurückkehren zu können, ist oftmals mit den Erfordernissen, die eine Neugestaltung des Ahrtals mit sich bringen, nicht in Einklang zu bringen. Es entsteht ein Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Das wurde einmal mehr in einer „Wissenswerkstatt“ deutlich, zu der die Bürgerinitiative „Lebenswerte Stadt“ in Bad Neuenahr einlud. Seit Jahren kämpft die Initiative für den Erhalt alter Bausubstanz. Nun fordert man eine regionale Baukultur.

Schöner und moderner soll das Ahrtal werden, so die allgegenwärtige Forderung. Von einer Modell- und Vorzeigeregion ist die Rede. Dabei müsse der Wiederaufbau, der eigentlich ein Neuaufbau sein soll, zentral geregelt werden. Die auch von der Bürgerinitiative ausgegebene Prämisse: Mit der Besinnung auf eine regionale Baukultur könne die Identität der Städte und Gemeinden und das Unverkennbare der Region gestärkt werden. Gerade in einer vom Tourismus lebenden Region wie dem Ahrtal, sei dieser Aspekt wichtig. Er schaffe nicht nur Identität in den Orten an der Ahr, sondern stärke auch das Fremdenverkehrsgeschäft durch die Schaffung wieder erkennbarer und typischer Ortsbilder, die „Geschichte und Lokalkolorit atmen“, so die Initiative.

„Dass dieser wichtige Aspekt des Wiederaufbaus, nämlich die Frage, wie sehen die Dörfer und Städte von morgen aus, bislang offenbar gar keine Rolle spielt, und es offensichtlich Zufall, Willkür und eigenem Ermessen der Bauherren überlassen wird, wie sich das Tal zukünftig präsentiert, dass dieser Prozess, der ja Fakten für Jahrzehnte schafft, nicht gelenkt und geleitet wird, wundert uns“, erklärt der Sprecher der Initiative, Markus Hartmann. Ein Tourist wolle schließlich nicht durch uniforme und architektonisch in aller Regel langweilige Neubaugebiete wandern, sondern durch ein einzigartiges und einmaliges Umfeld. Vor diesem Hintergrund bereite ein schneller Wiederaufbau des Ahrtals Sorgen.

Eingeladen hatte die Initiative Michael Stojan, einen Stadt- und Regionalplaner, der in den vergangenen Jahrzehnten in allen Teilen Deutschlands tätig war und sich insbesondere eine Förderung regionaler Baukulturen auf die Fahnen geschrieben hat, die im Ausland oftmals beachtet, in Deutschland jedoch vielfach ignoriert werde, so Stojan. So komme es zu einem Identitätsverlust in den Städten und Dörfern. „Die Uniformität und Beliebigkeit sind die Ursache für die Verhässlichung unserer Städte. Statt einer harmonischen Vielfalt gibt es ein großes Durcheinander“, erklärte Stojan. Es mangele an einer zeitgemäßen Architektursprache, die typische Gestaltungsmerkmale der Umgebung aufgreife. Dabei gebe es in der Bevölkerung ein wachsendes Bedürfnis „nach Identität, Wiedererkennbarkeit, Originalität und Geschichtlichkeit“.

Mit einer externen Beratungsgruppe, einer auf regionale Baukultur spezialisierten „Task Force“, könne den Kommunen Sachverstand an die Seite gestellt werden. Eine Überlegung, die in leichter Ratlosigkeit mündete. Denn: Den Gemeinden obliegt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung die alleinige Planungshoheit, Bebauungspläne mit ihren meist angefügten Gestaltungssatzungen sind Rechtsnormen mit klaren baulichen Vorgaben, Architekten sind in ihrem Gestaltungswillen stark eingeschränkt, da sie als Dienstleister das umzusetzen haben, was Bauherren und in der Regel auf Rendite bedachte Investoren auf der Basis von Bebauungsplänen wollen.

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