Digitales Museum Ehemalige Synagoge Niederzissen virtuell erlebbar

Niederzissen · Die ehemalige Niederzissener Synagoge und ihre Schätze kann jetzt jeder online entdecken. Konrad Wolf, Kulturminister des Landes Rheinland-Pfalz, war zum Start der Webseite nach Niederzissen gekommen.

 Kulturminister Konrad Wolf (links) sprach beim Festakt in der ehemaligen Synagoge von Niederzissen.

Kulturminister Konrad Wolf (links) sprach beim Festakt in der ehemaligen Synagoge von Niederzissen.

Foto: Martin Gausmann

„Es waren alles Juden, die in der Straße wohnten, es waren für uns Menschen wie wir, wir haben keinen Unterschied gemacht“, erinnert sich Änni Adams aus Niederzissen. Zu sehen und zu hören ist die Seniorin in einem interaktiven Dokumentarfilm, der die Geschichte und die Bedeutung der ehemaligen Synagoge in Niederzissen zeigt. Seit dem Wochenende ist die Dokumentation in aller Welt online verfügbar. Die ehemalige Synagoge wurde im Jahr 2012 nach der Sanierung als Begegnungs- und Veranstaltungsraum wieder eröffnet. Ihr Wert liegt nicht allein im Bau, sondern auch in historisch wertvollen Funden, die bei Aufräumungsarbeiten zwischen Müll und Unrat auf dem Dachboden gemacht wurden. Sie werden von der Forschung als einzigartig bewertet.

Konrad Wolf, Kulturminister des Landes Rheinland-Pfalz, war zum Start der Webseite nach Niederzissen gekommen. Er lobte das vollendete Projekt als „Beitrag zur aktiven Erinnerungsarbeit an jüdisches Leben“. Vor allem die Genisafunde lieferten ein tieferes Verständnis der jüdischen Kultur in Deutschland. Zu den Genisafunden gehören unbrauchbar gewordene religiöse Schriften, rituelle Gegenstände, Dokumente und Fotos, wie sie aus dem Müll auf dem Dachboden der Synagoge in Niederzissen geborgen werden konnten. Für die Forschung in aller Welt sind diese Dokumente von Bedeutung und seit dem Wochenende frei zugänglich.

Rheinland-Pfalz hat das knapp 65 000 Euro teure Projekt der Digitalisierung des Kulturguts deutlich bezuschusst. Weiteres Geld kam unter anderem von der EU, dem Kreis Ahrweiler, den Geldinstituten und weiteren Spendern. Als Vorsitzender des Fördervereins der ehemaligen Synagoge Niederzissen berichtete Norbert Wagner über die zwei Jahre dauernden Arbeiten zur Digitalisierung und dankte allen, die mit ausdauerndem Einsatz daran gearbeitet hatten.

Ein Lernkurs für Geschichte

Richard Keuler, der Vorsitzende des Kultur- und Heimatvereins Niederzissen, der die Synagoge betreut, bezeichnete das Erreichte als „Lernkursus für Geschichte“. Zusätzlich sei eine Bibliothek im Aufbau. Die „nationale und internationale Bedeutung des Hauses“ würden sich steigern, sagte er. Gastrednerin war die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Bonn, Margaret Traub. Sie sprach über die breite jüdische Kultur, die seit dem Mittelalter in den Städten Mainz, Koblenz, Bonn und Köln vorhanden gewesen sei. Jetzt lebten nur noch wenige jüdische Menschen dort. Aber Spuren jüdischen Glaubens und jüdischer Kultur seien geblieben. Dank und Hochachtung sprach sie aus für die Bürger Niederzissens, die sich um die Synagoge verdient gemacht hätten. Auch sei es nicht selbstverständlich, dass sich Gemeinderäte an der Aufarbeitung beteiligten und sich dafür einsetzten. Das Interesse an der Synagoge wolle sie im Bonner Raum wecken.

 Vor zehn Jahren auf dem Dachboden gefunden: Hebräische Schriften.

Vor zehn Jahren auf dem Dachboden gefunden: Hebräische Schriften.

Foto: Martin Gausmann

Als „regionales Projekt von weltweiter Bedeutung“ bezeichnete der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Brohltal, Johannes Bell, die Digitalisierung. Reinhard Wolf als Projektleiter und sein Team berichteten über die Arbeit und präsentierten das virtuelle Museum, das eine Zeitreise durch das jüdische Leben im Brohltal und einen Blick auf die Funde freigibt. Die Dokumentation ist in sieben Kapitel gegliedert, die auf Wunsch in weiteren Stufen vertieft werden können. So entsteht ein authentisches Bild des Lebens der jüdischen Gemeinde Niederzissen. Präsentiert wurde das Projekt von Daniel Jansen von der Agentur für jüdische Kultur in Mannheim.

Im späten Mittelalter hatten sich Juden, die unter anderem aus Städten wie Trier und Köln vertrieben worden waren, im Brohltal angesiedelt. Viele ließen sich als Viehhändler nieder. Die Synagoge an der Mittelstraße wurde 1841 errichtet, von den Nazis in der Pogromnacht 1938 geschändet, ein Jahr später auf Druck der Nazis an einen Schmied verkauft. Nachdem die Gemeinde Niederzissen das Haus erworben hatte, folgten 2011 Renovierung und Umbau in den ursprünglichen Zustand.

▶Den virtuellen Rundgang und ein Schaudepot findet man im Internet unter ehem-synagoge-niederzissen.com

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort