Renate Jasper und Heinz Lindlahr Zwei Urgesteine der Politik treten von der Bühne ab

KREIS AHRWEILER · Zwei Urgesteine der Politik treten mit der Kommunalwahl von der öffentlichen Bühne ab: Sinzigs Stadträtin Renate Jasper (78) und der Beigeordnete der Kreisstadt, Heinz Lindlahr (80). Für beide Ehrenamtler ist das der richtige Moment, um Bilanz zu ziehen.

Was Renate Jasper (SPD) nie verlieren wird und nie hergeben will: ihren sarkastischen Humor und ihren VW Käfer, mit dem die Beisitzerin am 3. Juni auch zu ihrer letzten Sitzung des Kreisrechtsausschusses von Koisdorf ins Ahrweiler Kreishaus fahren wird.

Die verheiratete Mutter einer erwachsenen Tochter ist seit 1989 mit Unterbrechungen nicht nur knapp 20 Jahre im Sinziger Stadtrat aktiv, sondern war auch zwischen 1989 und 2004 für zehn Jahre im Kreistag. Letzter Schnittpunkt der Kreis- und Stadtpolitik: der Erhalt des Bad Bodendorfer "Bad"-Titels.

"Als Landrat Jürgen Pföhler ins Rathaus kam, um zu gratulieren, hab' ich ihm ein Dossier überreicht. Dieses Titel-Gerangel war eine Farce, denn auf der 'Packung' Bad Bodendorf steht was drauf, was nicht drin ist." Da ist sie unbequem und kompromisslos, da will sie das bei der Wahl gegebene Wort halten: mit dem Bürger, für den Bürger.

Aus dieser Geradlinigkeit heraus erklärt sich aber auch, dass sie für die einen die rote Renate, für die anderen das schwarze Schaf war, das häufig aneckte, lange Jahre die Kommunalaufsicht beschäftigte und das Kommunalbrevier als Lieblingsbuch im Regal stehen hat.

Die satirisch spitze Feder der Natur- und Tierschützerin, die Igel mit Babyflaschen großzog, zehn Nymphensittichen ein Zuhause gab, sich heute noch mit Ehemann, Hund und Schildkröte das Haus teilt und eine Bürgerwehr gegen Tiefflüge über dem Höhenort ins Leben rief, haben viele zu spüren bekommen: ob durch Glossen im General-Anzeiger, Büttenreden für die Möhnen oder als ältestes Ratsmitglied durch ironische Rückblicke beim Jahresabschluss des Sinziger Gremiums.

"Die Arbeit im Kreistag war stressfreier, produktiver, und noch heute denke ich voll Trauer an den viel zu früh verstorbenen Landrat Joachim Weiler."

Die einstige ehrenamtliche Richterin am Koblenzer Verwaltungsgericht erinnert sich an Norbert Hesch als den Bürgermeister, "der einfach die Kirchplatz-Bäume abholzen ließ" und ärgert sich, dass es bis heute nicht erreicht wurde, die Bahnsteige im Sinziger Bahnhof zu erhöhen.

"Dass wir das in 20 Jahren nicht geschafft haben ist ein Fehlverhalten aller Parteien", so Jasper, die 2006 mit der Verdienstmedaille des Bundesverdienstordens ausgezeichnet wurde. Den künftigen Rats-Newcomern empfiehlt sie, "nicht blauäugig alles zu glauben, was sie vorgesetzt bekommen und das Lesen der Gemeindeordnung". Ihr persönliches Fazit: "Es gibt Dinge, die 'kannste' nun mal nicht ändern. Und: Ein Mandat ist kein Dauer-Abo."

In Sinzig geboren ist Heinz Lindlahr (CDU), der 1958 eine Rechtspfleger-Laufbahn einschlug, bis 1968 am Amtsgericht Asbach arbeitete und dann mit seinem "Sinziger Mädchen" Ingrid, das er 1955 heiratete, in die Kreisstadt zog. Als Justizoberamtsrat war der Vater von drei Töchtern bis zu seiner Pensionierung 1995 als geschäftsleitender Beamter im Amtsgericht Ahrweiler tätig.

Außer seiner Familie sind Kommunalpolitik und Kirche dem 80-Jährigen wichtig. Der leidenschaftliche Spardosensammler brachte sich immer für die Gemeinschaft ein: ob als Jugendhilfsschöffe, in der Kammer für Kriegsdienstverweigerer, bei der Gründung des Fördervereins der Don-Bosco-Schule mit den Schwerpunkten Lernen und Sprache, Schiedsmann oder Drehorgelspieler für den guten Zweck. Lindlahr war erster und längster Vorsitzender des Pfarrgemeinderates und Mitglied des Rosenkranz-Verwaltungsrates über Jahrzehnte.

Was das CDU-Mitglied aber auch war: der erste Ortsvorsteher von Bad Neuenahr von 1979 bis 1984. "Damals gab's kein Doppelmandat. Ich musste mich entscheiden: Ratsmitglied oder Ortsvorsteher."

Was unter Alt-Bürgermeister Rudolf Weltken begann, das endet nun nach 25 Jahren und drei folgenden Bürgermeistern Edmund Flohe, Hans-Ulrich Tappe und Guido Orthen: Lindlahrs Zeit als Beigeordneter der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. "Ich bin stolz darauf und es hat Spaß gemacht, zu den Menschen zu gehen.

Ich habe Tausende von Jubiläen besucht, im Schnitt zehn im Monat. Die Stunden, die ich als Beigeordneter den Bürgermeister vertreten habe, kann ich nicht nachrechnen. Ich möchte keinen Tag missen, weil ich so viele interessante Menschen kennen gelernt habe", so Lindlahr, für den die Kirmes-Eröffnung immer ein ganz besonderer Termin war.

Was Lindlahr im Miteinander mit den Bürgern auch gespürt hat: "Die Zugezogenen waren mit der Politik zufrieden, die Einheimischen oft nicht. Und: Die Bewohner sind allgemein kritischer geworden."

Zu lange gedauert hat für ihn die Gestaltung des Ortseingangs mit der Aufhebung des Bahnübergangs am Bahnhof: "Das wird jetzt in Angriff genommen, das stand aber schon zu meiner Ortsvorsteher-Zeit auf der Agenda. Graue Haare habe ich über die miserable Situation auf dem Platz an der Linde bekommen, denn auch die Versetzung des Brunnen ist nicht gelungen, eine Belebung wurde nicht erreicht."

Gerne hätte der frühere Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes gesehen, wenn es mit Heimersheim einen einzigen Verband in der Kreisstadt gegeben hätte. "Dazu ist es leider nie gekommen." Zu Ehren gekommen ist Lindlahr 2001 mit der Verdienstmedaille des Landes, 2007 mit der Freiherr-vom-Stein-Plakette und 2008 mit der Ehrenurkunde des Ministerpräsidenten.

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