Auf dem Berg steht die Kleinausgabe des Doms

Landeskonservator Paul-Georg Custodis ist der beste Kenner von Sankt Apollinaris in Remagen - Das neugotische Bauwerk von Ernst Friedrich Zwirner fasziniert Besucher aus der ganzen Welt

Remagen. Da schloss sich ein Kreis: Am Fuß der Apollinariskirche erklärte Paul-Georg Custodis vom Landesdenkmalpflegeamt dem "Verein zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig" und Gästen, das filigrane Bauwerk sei auf vielen romantischen Ansichten verewigt.

Und vom Dachstuhl aus konnten die Teilnehmer der Führung, ganz nah bei den Kreuzblumen, den Lauf des Rheins verfolgen, Sehnsuchtsstrom der Romantik. Glücklich schätzte sich Vereinsvorsitzender Friedrich Rick, Custodis, der maßgeblich die Restaurierung der Kirche betreut hat, als Führer zugewinnen.

"Er ist der beste Kenner", sagte auch Franziskaner-Bruder Peter Fobes, der den Besuchern viele sonst verschlossene Türen öffnete, während der Landesdenkmalpfleger Schichten der Geschichte aufschloss. Auf der Anhöhe mit römischen Funden entstand eine fränkische Martinskapelle im sechsten, abgelöst von einer romanischen Kirche im neunten Jahrhundert, neben der die Siegburger Benediktiner 1110 eine Propstei bauten.

Die Apollinarisverehrung machte im 14. Jahrhundert den Martinsberg und Kirche zum Apollinarisberg und zur Apollinariskirche. Nachdem die Franzosen im Rheinland Klöster und Orden aufhoben, erwarben die Gebrüder Boisseré das Anwesen, später Franz Egon Graf von Fürstenberg-Stammheim.

Die jetzige Bausituation entsprang folgenschweren Entscheidungen, legte Custodis dar. Hätte man über die alte Kirche nicht das Urteil "unrettbar" gefällt und sich der Graf unter den konkurrierenden Architekten für den Neubau nicht für den Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner, sondern für den Düsseldorfer Wiegmann entschieden, so wiese das Erscheinungsbild heute nicht die reich gegliederte Turm- und Dachlandschaft auf. Die Wahl fiel dem Grafen leicht: "Neugotik war en vogue, der Kölner Dom in aller Munde. Er wollte den Star haben und nicht den hausbackenen Entwurf Wiegmanns." Zwirner errichtete die Kirche bis 1844 "als Kleinausgabe des Doms".

Die Türme außen, die Kapitelle innen - viele Details sind "gestauchte Widergaben" des großen Vorbilds. Im Kirchenraum wird die weitere Wunscherfüllung des Bauherrn anschaulich: Riesige Wand- und Deckengemälde, als wäre das Gotteshaus eigens zu diesem Zweck errichtet. Tatsächlich wollte der Graf von Anfang die Kirche durch die religiöse Malerei der Nazarener schmücken lassen. 1843 bis 1852 waren Ernst Deger, Andreas Müller, Carl Müller und Franz Ittenbach von der Düsseldorfer Malerschule mit dieser anspruchsvollen Aufgabe beschäftigt. Doch das Schöne ist vergänglich, zumal bei den "hochanfälligen gotischen Kirchen".

Karl Josef Ernst, leitender Architekt der von den Franziskanern 1985 begonnenen Sanierung, berichtete, "Steine brachen ab, die Kreuzblumen waren wie abrasiert, das Dach leckte, und das führte innen zu Salzausblühungen." Die aufwändige Sanierung, stets von den Mainzer Denkmalpflegern begleitet, begann an der Kirchenapsis und wurde im Uhrzeigersinn fortgesetzt. Außerplanmäßig stand 1995/96 die Dacherneuerung an. Im Herbst 1997 kamen die Portaltüren samt Schnitzarbeiten an die Reihe. Innen wurden die Gemälde gesäubert und ergänzt. Mit den Arbeiten in der Krypta, wo die Gäste den Reliquienschrein sahen und im Lapidarium die Sammlung von Steinarbeiten bestaunten, wird die Restaurierung abgeschlossen sein. Finanziell stemmten den Kraftakt der Bund, Rheinland-Pfalz, der Kreis Ahrweiler, die Stadt Remagen, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, das Bistum, Franziskanerprovinz und Förderverein.

Im Original-Dachstuhl über dem Gewölbe endete die packende eineinhalbstündige Führung. Dort oben, auf den kleinen Dachstegen, Turmspitzen im Visier, Rhein und Siebengebirge schauend, hätten die Besucher ohnehin völlig die Zeit vergessen, hätte man sie nur gelassen.

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