Durch Westerwald und Taunus Bahntunnel soll Mittelrheintal entlasten

KOBLENZ · Güterzüge könnten Teile von Hessen und Rheinland-Pfalz künftig in einem langen Tunnel durchqueren. So will ein Bonner Bauingenieur dem lärmgeplagten Mittelrheintal mehr Ruhe bescheren. Rückenwind bekommt er von Bahnlärmgegnern.

 Ein Güterzug fährt durch Assmanshausen am Rhein. Ein Bahntunnel soll das Mittelrheintal entlasten.

Ein Güterzug fährt durch Assmanshausen am Rhein. Ein Bahntunnel soll das Mittelrheintal entlasten.

Foto: dpa

Auf 118 Kilometern Länge soll er Westerwald und Taunus unterqueren und die leidgeprüften Bewohner des Mittelrheintals vom Bahnlärm befreien: Der sogenannte "Westerwald-Taunus-Tunnel" könnte den Güterverkehr weg vom Rhein und weiter östlich unter die Erde bringen. Das gewaltige Bauwerk ist eine Idee des Bonner Bauingenieurs Rolf Niemeyer.

Bahnlärmgegner unterstützen die Idee. Alles steht und fällt mit der Aufnahme des Projekts in den Bundesverkehrswegeplan 2015 des Bundesverkehrsministeriums. "Es gibt einen sehr großen Willen der politischen Personen, die sagen, das ist ein zweckmäßiges sinnvolles Projekt", sagt der Ingenieur.

Im hessischen Bischofsheim nahe der Main-Mündung in den Rhein verschwänden die Züge Niemeyers Plänen zufolge unter der Erde. 47 Kilometer lang sausen sie unter dem Taunus hindurch, queren dann das Lahntal ober- oder unterirdisch.

Nach 71 Kilometern Fahrt unter dem Westerwald sollen sie schließlich im nordrhein-westfälischen Sankt Augustin bei Bonn wieder auftauchen. Mehrere Schächte und Rampen in den Tälern unterbrechen den Plänen zufolge das Tunnelsystem.

Mit bis zu zehn Milliarden Euro setzt Niemeyer die Baukosten an. "Es gibt einen langsamen, aber stetigen Zuwachs an Interesse", sagt er. Auch in seinem Bonner Zuhause plagte ihn der Lärm. Deswegen setzte er sich an die Idee für den gewaltigen Tunnel, meldete ihn Ende des Jahres 2012 für den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) an.

Wird das Projekt dort aufgenommen, könnte es einmal Wirklichkeit werden. Anhand des BVWP plant die Bundesregierung im kommenden Jahrzehnt Investitionen in neue und alte Straßen, Schienen und Wasserwege. 406 Schienenprojekte warten derzeit auf die Aufnahme. Sie werden bis Herbst dieses Jahres geprüft. Zu einem Zwischenergebnis machte das Bundesverkehrsministerium keine Angaben. Nach weiteren Beratungen gehe Ende des Jahres ein Entwurf des BVWP ins Kabinett.

Bahnlärmgegner stärken Niemeyer den Rücken. "Wir vertreten den Westerwald-Taunus-Tunnel schon seit Jahren", sagt Willi Pusch von der "Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn". Er zeigt sich zuversichtlich. "Die Wirtschaft braucht eine Güterverkehrsstrecke im Herzen Europas."

Die Finanzierung hält er für machbar. Ein Sprecher des Mainzer Verkehrsministeriums sagt: "Rheinland-Pfalz unterstützt das Projekt grundsätzlich, wenn es denn realisierbar und finanzierbar sein sollte." Die Trasse würde die Bürger vergleichsweise wenig mit Lärm belästigen.

Stärkere Beeinträchtigung der Natur

"Die Idee klingt erst einmal interessant", meint auch Jonas Krause-Heiber von der Nabu-Regionalstelle Rhein-Westerwald. Ohne konkrete Pläne ließen sich die Folgen für die Umwelt aber nicht genau benennen. Sicher ist für ihn lediglich: "So eine Baumaßnahme wird auf jeden Fall mit einer stärkeren Beeinträchtigung der Natur einhergehen." Je nachdem, wo genau gegraben werde, könnten im Westerwald etwa Altholzbestände, artenreiches Grünland und Gewässer betroffen sein.

Die Deutsche Bahn kommentiert das Projekt bislang nicht. "Wenn neue Infrastruktur entsteht, befürworten wir das natürlich grundsätzlich", sagt Hans-Georg Zimmermann. Der Lärmschutz-Sprecher der Bahn verweist auf laufende und geplante Maßnahmen, die mehr Ruhe ins Mittelrheintal bringen sollen. Seit rund anderthalb Jahren mache die Bahn die Bremsen ihrer Güterwagen um rund zehn Dezibel leiser.

In der Wahrnehmung werde der Schall beim Fahren damit halb so laut, sagt Zimmermann. 2020 soll die Umrüstung aller 60 000 Güterwagen der Bahn in Deutschland abgeschlossen sein - das sind nach Bahn-Angaben ein Drittel aller hierzulande verkehrenden Güterzüge.

Ein Paket weiterer Umbauten an der Strecke - etwa niedrige Schutzwände und Schalldämpfer an Schienen und Geländern - sei nun geprüft worden. Derzeit sprächen der Bund und die betroffenen Länder über die Finanzierung von rund 80 Millionen Euro. Gelingt sie, könnte der zusätzliche Schallschutz bis 2020 im Einsatz sein. "Es wird nicht leise werden, aber es wird leiser werden", sagt Zimmermann.

Täglich fahren nach Bahn-Angaben rund 400 Züge durch das Mittelrheintal, darunter etwa 250 Güterzüge. Die Bahnlärmgegner sprechen von mehr als 550 Zügen und Lärmspitzen von bis zu 106 Dezibel - vergleichbar sei das mit einem Metallbetrieb. Zum "Tag gegen Lärm" am Mittwoch fordern Lärmgegner im Mittelrheintal einmal mehr ein Nachtfahrverbot für laute Güterzüge. Für den 9. Mai rufen die Lärmgegner zudem zu einer Demonstration in Koblenz auf.

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