Bonner Forscher beleuchtet Ahr-Tourismus

In seiner Doktorarbeit nimmt Jürgen Haffke den Fremdenverkehr seit dem 19. Jahrhundert unter die Lupe.

Bonner Forscher beleuchtet Ahr-Tourismus
Foto: Martin Gausmann

Kreis Ahrweiler. Kaum vorstellbar, aber wahr: Der Fremdenverkehr im Gesamtgebiet Ahr und Hocheifel stand bisher noch nicht im Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Untersuchung. Dabei gehören Flusstal und Hochfläche zu den touristisch herausragenden Regionen Deutschlands: durch Bad Neuenahr als führendem Badeort, den Nürburgring und die romantische Mittelahr.

Nun füllt Jürgen Haffke mit "Kulturlandschaften und Tourismus - Historisch-geografische Studien in Ahrtal und Hocheifel" diese Lücke. In drei Jahren schrieb der Bonner Studiendirektor mit den Fächern Geschichte, Geografie, Sozialkunde das 338 Seiten starke Werk.

Tatsächlich aber beackert der 1953 in Sinzig geborene und jetzt an der Uni Bonn promovierte Historische Geograf die Materie seit mehr als 30 Jahren. Zudem kommt ihm die intime Kenntnis von Land und Leuten zugute, sodass er fundiert ausbreiten kann, was er für das Untersuchungsgebiet erarbeitet hat: eine Bestandsaufnahme und Bewertung des Tourismus in Vergangenheit und Gegenwart und daraus resultierend ein Konzept einer touristisch wirksamen Kulturlandschaftspflege.

Dem seit Jahrzehnten in den Mittelgebirgen anhaltenden Trend folgend, suchen weniger Jahres- als Kurzurlauber in der Region Entspannung, Genuss und Erlebnisse. Sowohl Auswärtige wie Einheimische bevorzugen die "kleine Auszeit" als charakteristische Form des Besuchs.

Er führt sie in eine "additive Tourismuslandschaft", die auf engem Raum verschiedenste Reize bietet, "Stärke und Schwäche des alten Fremdenverkehrsgebietes, dessen unterschiedliche Zielgruppen bislang nicht unter einem einheitlichen Marktauftritt zu erreichen sind".

Haffke beleuchtet die ungleichen Bereiche und Fremdenverkehrstypen im Ahrtal, das er in Junge Ahr (Blankenheim bis Dorsel), Oberahr (Dorsel bis Kreuzberg), Mittelahr (Kreuzberg bis Walporzheim) und Unterahr (Walporzheim bis Kripp) gliedert, zu dem das Adenauer Bach-Tal und die Hocheifel-Rumpffläche mit ihren Vulkankuppen und Burgen hinzukommen.

Relativ früh, ab 1820, priesen Schöngeiste Gottfried Kinkel und Ernst Moritz Arndt die mal lauschige, mal herbe Landschaft der Hocheifel sowie die romantische felsenreiche Mittelahr.

Bei Abschluss der Entdeckung ging es 1858 in Neuenahr, wo der durch Georg Kreuzberg initiierte Kurbetrieb für eine noble Klientel eröffnete, mit der touristischen Inwertsetzung gerade los. Und 1927 weihte man die im Zuge einer Notstandsmaßnahme erbaute Rennstrecke Nürburgring ein. Haffke verfolgt die Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der Region detailliert bis heute.

Was Künstler und Literaten, Bürgertum und Unternehmer begründet hatten, setzte der Staat fort, wobei die Impulse nach der Pionierphase im 19. Jahrhundert, nach den Weltkriegen über die Kräfte der Vergangenheit hinausgingen, wie besonders die Investitionen für den Nürburgring verdeutlichen.

Alle Maßnahmen verdanken ihren Erfolg politischen Entscheidungen und der Verteilung von Steuergeldern. Fast immer stellte sich der Effekt touristischer Förderung als Zusatznutzen ein. So profitierte Bad Neuenahr jahrzehntelang von der sozialkurfreundlichen Gesundheitspolitik und der Ahrweinbau von den Flurbereinigungen, die den Rotweinwanderweg erst ermöglichten.

Die Akzeptanz touristischer Gegenden gründet sich nicht allein auf deren "objektives" Potenzial, wie Kulturdenkmäler, historische Bausubstanz oder naturräumliche Besonderheiten. Ihre Werte wollen vom Besucher auch "gefühlt" werden.

So wähnten sich die frühen Ahr-Schwärmer im Bereich Altenahr "in der niederrheinschen kleinen Schweiz", weil damals die Schweiz "der Inbegriff dessen war, was eine Seele von einer Landschaft erträumen konnte". Und so befeuern "Massen und Mythen" Rennsport- und andere Erlebnisse in der "Grünen Hölle" des Rings.

Die emotionale Dimension gilt es zu erfassen, will man Kulturlandschaftspflege und Tourismus verknüpfen. Diesbezügliche Anregungen, die den historischen Gehalt einer Landschaft vermitteln, liefert Haffke in seinem Schlusskapitel. Da plädiert er etwa eindringlich dafür, "Die niederrheinische Schweiz" quasi als Markenzeichen für das ganze Ahrtal wieder ins Bewusstsein zu rücken, da sie kaum verändert, nicht bedroht und wegemäßig sehr gut erschlossen ist.

Die behandelte Fülle an Fakten, Beschreibungen und Deutungen, das Netz von Querbezügen und nicht zuletzt eine Vielzahl bildreicher Zitate der frühen Besucher im Untersuchungsgebiet machen Haffkes Tourismusstudie zu einem Wunschbuch für alle an Ahrtal und Hocheifel Interessierten und ganz gewiss zu einem Muss für die Tourismus- und Wirtschaftsförderer der Region.

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