Bornheimer Landwirt kämpft um seine Äcker

Bonn · "Wie auf der Flucht" fühle er sich, sagt Peter-Werner Decker. Wo der Bornheimer Landwirt seine Felder bestellt, folgen immer öfter Planierraupen und Betonmischer.

 "Besonders fruchtbarer Boden": Der Bornheimer Landwirt Peter-Werner Decker zeigt seinen Acker mit Weizen neben dem Gewerbegebiet in Roisdorf.

"Besonders fruchtbarer Boden": Der Bornheimer Landwirt Peter-Werner Decker zeigt seinen Acker mit Weizen neben dem Gewerbegebiet in Roisdorf.

Foto: Wolfgang Henry

"Am Standort von Bauhaus", sagt der 51-Jährige und deutet auf den Baumarkt im Roisdorfer Gewerbegebiet, "habe ich vor wenigen Jahren noch Weizen geerntet". Die 2003 eröffnete Autobahnzufahrt Bornheim an der A555: ehemaliges Feld von Bauer Decker. Die kommende Umgehungsstraße für Alfter: bisher Acker des Bornheimers. Auf seinen Anbauflächen in Hersel sollen ein Sportplatz und eine Golfanlage entstehen. Außerdem will ein Unternehmer Kies direkt neben Deckers Apfelbäumen abbauen. Das Obst ließe sich mit dem Staub nicht mehr verkaufen.

"Was weg ist, ist weg", sagt Decker und zuckt mit den Schultern. Der Ackerbauer hat wie die meisten Landwirte in der Region rund 80 Prozent seiner insgesamt 200 Hektar Nutzfläche von privaten Grundstücksbesitzern und Kommunen gepachtet. Erhalten die Eigentümer ein lukratives Angebot von Investoren, müssen sich die Bauern vom Acker machen.

Im Rhein-Sieg-Kreis ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche in den vergangenen zehn Jahren um rund fünf Prozent auf 51.213 Hektar gesunken. Jeden Tag gehen den Bauern in Deutschland nach Angaben des Rheinischen Landwirtschafts-Verbands (RLV) 90 Hektar verloren, so viel wie rund 100 Fußballfelder. "Wir pflastern uns so langsam zu", sagt RLV-Präsident Friedhelm Decker. "Die verschwundenen Wiesen und Weiden fehlen nicht nur unseren Bauern zur Erzeugung von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen, sie beeinträchtigen auch durch die Bebauung die Natur und die Artenvielfalt."

Gegen den wachsenden Flächenverbrauch hat sich nun eine Zweckallianz gebildet: Die Bauern und die Grünen stehen sich in der Regel politisch nicht unbedingt nahe. So lobt der Bauernvertreter Friedhelm Decker ausdrücklich die Pläne der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, den Flächenverbrauch im Land mindestens auf fünf Hektar pro Tag zu senken. Derzeit verliert das Land jeden Tag knapp 18 Hektar Naturfläche und Felder durch Bebauung.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel sieht darin "ein massives Problem". Die Rezepte der Landesregierung: Zum einen soll weniger "auf der grünen Wiese" gebaut werden. "Bei abnehmender Bevölkerung brauchen wir keine immer neuen Wohnbauflächen", forderte Remmel. Stattdessen sollten die Lebensbedingungen in Städten und Dörfern verbessert werden. "Dort stehen Häuser leer, während am Stadtrand neu gebaut wird", sagte er. Seine "Allianz der Beschränkung" soll auch für Gewerbeflächen gelten. Statt weitere Äcker zu bebauen, sollten die auf bis zu 60.000 Hektar geschätzten Industriebrachen in Nordrhein-Westfalen neu genutzt werden.

Wer die teure Sanierung der Industrie-Altlasten bezahlen soll, bleibt jedoch offen. Noch sind die Äcker als Baugrund billiger. Und die Kommunen, die neue Gewerbegebiete auf der grünen Wiese ausweisen, müssen auch heute schon per Gesetz sogenannte Ausgleichsflächen schaffen. Wird an einem Ort der Boden bebaut, soll er an einem anderen Ort geschützt werden. Dieses Prinzip trifft die Landwirte gleich zweifach. Ihnen gehen zum einen die zu bebauenden Flächen verloren. Zum anderen müssen sie für die Ausgleichsflächen oft gepachtete Äcker und Wiesen abgeben.

Auch für die letzten Felder von Bauer Decker hinter dem Roisdorfer Gewerbegebiet sah es schlecht aus. Hier wollte die Stadt Ausgleichsflächen für das zubetonierte neue Gewerbegebiet rund um das Riesen-Möbelhaus Porta schaffen. "Dabei ist der Boden dort besonders fruchtbar", sagt der Landwirt. "Es wäre wirklich schade darum gewesen."

Gemeinsam mit der Stadt Bornheim und der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, die die Ausgleichsmaßnahmen verwaltet, hat Decker einen Kompromiss gefunden. Er darf auf einem Teil der Äcker hinter dem Gewerbegebiet weiter Weizen anbauen - mit größeren Pflanzabständen als Lebensraum für die Feldlerche. Den geringeren Ertrag ersetzt ihm die Stiftung.

Ein Einzelfall. Eigentlich bräuchte Decker Ersatzflächen. "Aber der Strukturwandel bei den Landwirten im Vorgebirge ist gelaufen, hier gibt kaum noch einer Land ab", sagt er. "Wie soll ich wissen, ob es sich langfristig noch lohnt, in teure Maschinen zu investieren?". Decker hat die Hofnachfolge vor mehr als 25 Jahren gegen den Rat seiner Eltern angetreten. "Aus Liebe zum Beruf", sagt er. Jetzt braucht Decker einen Plan B. Seine Tochter würde gerne aus dem Ackerbaubetrieb einen Reiterhof machen.

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